taz.de -- Google und Netzneutralität: Nee, lieber doch nicht
Überall kämpft der Konzern für ein neutrales Netz. Außer dort, wo Google selbst nicht nur Inhalte anbietet, sondern auch die Leitungen verwaltet.
BERLIN taz | Google schwört der gleichberechtigten Nutzung des Internets und der gleichrangigen Datenübertragung über das Netz ab – obwohl der Konzern jahrelang für die Netzneutralität kämpfte. Der Grund dafür ist einfach: nun geht es um eigene Netze der Firma.
Google Fiber heißt das Produkt, in Kansas City ist es bereits verfügbar: blitzschnelles Internet. Mit bis zu einem Gigabit, also der 20-Fachen VDSL-Geschwindigkeit, sollen die Haushalte der Stadt das von Google betriebene Glasfasernetz nutzen können. Nutzen, das meint hier allerdings nur eine Einbahnstraße.
Denn während prinzipiell das Internet so gedacht ist, dass an jedem Anschluss auch ein Angebot stattfinden, also ein Server stehen kann, auf dem dann Dienste angeboten werden, wird dies für die Google-Fiber-Anschlüsse ausgeschlossen: rasend schnelles Internet ja, aber damit eigene Angebote machen, das ist laut den Nutzungsbedingungen für die Endkunden unzulässig.
Das bestätigte Google nun gegenüber der US-Netzbetreiberaufsicht Federal Communications Commission, wie [1][das Wired-Blog ThreatLevel herausfand]. Die FCC hatte bei dem vorwiegend für seine Suchmaschine bekannten Anbieter aus Mountain View nachgefragt, nachdem sich ein Kunde beschwert hatte. Und das mit gutem Grund: Google hatte – und auch das gegenüber der FCC – in den vergangenen Jahren immer darauf gedrängt, dass Anbieter zur Gleichbehandlung aller Daten verpflichtet sein müssten.
Nutzer-Bindung
Der Hintergrund ist einfach: Google würde sonst vielleicht für die Durchleitung seiner Dienste extra zahlen müssen. Doch wenn Google selbst zum Provider wird wie in Kansas City und künftig auch in anderen US-Städten, tritt genau der gegenteilige Effekt zur bislang vorgetragenen Position ein: Google will die Nutzer an sich und seine Angebote binden und die Nutzung der superschnellen Leitungen daher nicht für Angebote der Nutzer öffnen.
In Deutschland protestiert Nutzer und Diensteanbieter wie Google bislang vorwiegend gegen Mobilfunker wie Vodafone und im Festnetz gegen die Deutsche Telekom und ihre als „Drosselkom" verspotteten Pläne. So hatte das Unternehmen Bundesregierung und die EU-Kommission zur gesetzgeberischen Sicherstellung der Netzneutralität aufgerufen. Die Kehrtwende dürfte für die Kritiker des Anbieters ein weiterer Beleg dafür sein, dass es Gefahren birgt, sich im Streit um die Netzneutralität mit Firmen gemein zu machen, auch wenn deren Meinungen vielleicht den eigenen Wünschen gelegen kommen.
Während auf Bundesebene eine Ausführungsverordnung zur Netzneutralität nun bald kommen soll, ist der Beratungsprozess auf europäischer Ebene noch nicht so weit fortgeschritten – Ende diesen Jahres will EU-Kommissarin Neelie Kroes eventuell eine Neuregelung vorschlagen.
31 Jul 2013
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Netzneutralität wird in den USA von der Aufsichtsbehörde FCC geregelt. Ein US-Berufungsgericht stellt das nun in Frage. US-Telefonkonzerne freuen sich.
Thomas Lohninger glaubt, dass die EU die Netzneutralität abschafft. Mit einer Kampagne sollen die Grundlagen des freien Netzes gerettet werden.
Die Telekom benennt ihre Tarife um. Laut Medienberichten sollen DSL-Tarife mit begrenztem Volumen nicht mehr „Flatrate“ heißen. Kritikern reicht das nicht.
Ein Düsseldorfer Professor fühlte sich von Behauptungen auf einer Internetseite verunglimpft. Doch Google sei die falsche Adresse dafür, befand das Gericht.
Fast alle nutzen die Suchmaschine. Doch viele überschätzen dabei ihre Kompetenz, so das Ergebnis einer Studie.
15 Kilometer von der japanischen Küste liegt die verlassene Insel Hashima. Google hat sie jetzt mit dem Programm Street View begehbar gemacht.
Nach wem wird häufiger im Netz gesucht? Welche Politikthemen beschäftigen die Nutzer besonders? Das soll eine neue Webseite von Google zur Wahl zeigen.
Nach herber Kritik an ihren Regeln zur Netzneutralität rudert die EU-Kommission zurück. Der Entwurf der Bundesregierung wird noch diskutiert.
Die EU-Kommission will die Netzneutralität jetzt offenbar doch nicht gesetzlich verankern. Das wäre schlecht für die Verbraucher.
Das Zwei-Klassennetz droht Wirklichkeit zu werden, auch wenn Netzaktivisten es bis in den Bundestag schaffen. Die Pläne der Regierung bestätigen alle Befürchtungen.
Kurz vor Ende ihrer Amtszeit will sich die EU-Kommissarin um Netzneutralität kümmern. Mit erheblichen Einschränkungen zwar, aber immerhin.