taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Des Kaisers Doping-Aussagen

Franz Beckenbauer hat vor vielen Jahren ganz entspannt über Doping im Fußball geschrieben. Jetzt kann er nicht glauben, dass er das gewesen sein soll.
Bild: Justin „Götze“ Bieber (l.) mit Franz Beckenbauer (r.) im ZDF-Sportstudio

Sechs Tore zum Saisonbeginn von Hertha BSC Berlin. Das ist für einen Aufsteiger schon nicht übel. Damit konnte man nicht rechnen. Und dass der Dortmunder Neuzugang Pierre-Emerick Aubameyang bei seiner Bundesligapremiere allein dreimal traf, das erstaunte selbst dessen Trainer Jürgen Klopp.

Für die allergrößte Überraschung jedoch sorgte an diesem Wochenende Franz Beckenbauer. Denn Beckenbauer, der alles erklären kann, und das auch so, wie er will (Otto Rehhagel: „Wenn er erklärt, der Ball ist eckig, dann glauben ihm das auch alle“), war so sprachlos, wie man ihn noch selten gesehen hat. Dabei sollte er doch nur erklären, was er einmal vor gut 36 Jahren selbst aufgeschrieben hatte.

Ausgerechnet bei der 50-jährigen Jubiläumssendung des ZDF-„Sportstudios“ verzichtete Steinbrecher darauf, Beckenbauer seinen klassischen Part spielen zu lassen: in Erinnerungen schwelgen und dem Publikum den Fußball und das Leben zu erklären. Stattdessen konfrontierte er ihn mit knallharter Recherche. Unter der Woche hatte Beckenbauer angesichts der Debatte über die Dopingvergangenheit in der BRD versichert, man habe früher nicht einmal gewusst, was das Wort „Doping“ bedeute. Im Fußball sei das eh ein sinnloses Unterfangen. Altbekannte Argumente.

Steinbrecher las jedoch am Samstagabend aus Beckenbauers Stern-Aufsatz von 1977 vor: „Medizinisch ist heute in der Bundesliga praktisch noch alles erlaubt, was den Spieler zu Höchst- und Dauerleistung treibt.“ Und weiter: „Die Grenzen zum Doping sind fließend.“ Der alte Beckenbauer kam aus dem Staunen über den jungen Beckenbauer gar nicht mehr heraus: „Das habe ich gesagt? Kann das sein, dass ich einen Doppelgänger habe?“, fragte er recht unbeholfen.

Viele gesunde Vitamine

Überrascht sei er über sein „Kunstwerk“, gestand er ein. Und der völlig kalt erwischte Fußball-Kaiser drohte sich um Kopf und Kragen zu reden: „Was ist denn Doping?“, warf er ein. Und schwadronierte später etwas über Vitaminspritzen („Der Doktor hat gesagt, das sind Vitaminspritzen“).

Noch nie war die dunkle Vergangenheit des deutschen Fußballs so mit Händen zu greifen wie am Samstagabend. Dass ein solcher Moment ausgerechnet in einer Jubiläumssendung eines Senders ermöglicht wurde, der etwa mit Kristin Otto eine Exschwimmerin beschäftigt, die von Zeugen massiv mit Dopingvorwürfen belastet wird, lässt für die anstehende Aufklärungsarbeit hoffen.

Auf Beckenbauer kann man da nicht zählen. Er löst das Problem mit der Vergangenheit per Persönlichkeitsspaltung. Die für die deutsche Fußballbranche so belastenden Sätze können einfach nicht von ihm gekommen sein. Da muss ein Doppelgänger im Spiel sein. Oder ist es eine Fälschung. Wer erinnert sich nicht an die Hitler-Tagebücher vom Stern. Franz Beckenbauer wird gewiss noch eine plausible Erklärung nachliefern.

11 Aug 2013

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Johannes Kopp

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