taz.de -- Elektro-Musikerinnen: Frauen auf die Bühne
Nur zehn Prozent der Festival-Acts sind weiblich. Das Netzwerk „Female Pressure“ will das ändern, dafür müssen die Markt-Mechanismen durchbrochen werden.
Vor Kurzem ging die auf Twitter gestartete Sexismus-Debatte [1][//twitter.com/search?q=%23aufschrei&src=typd&f=realtime:#Aufschrei] durch die Medien. #Aufschrei bekam einen Grimme Online Award und wurde lebhaft diskutiert. Die öffentliche Plattform des feministischen Hashtags, ermöglichte es auch anderen Initiativen, von dem gesellschaftlichen Interesse zu profitieren.
So kam die Datenerhebung des Netzwerks „[2][Female Pressure]“ gerade zur rechten Zeit: Das internationale Netzwerk von Musikschaffenden, Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen zählte die weiblichen und männlichen Musik-Acts auf international wichtigen Festivals und kam zu dem Ergebnis, dass lediglich zehn Prozent Frauen im Programm stehen.
Die Situation in Berlin, einem Mekka elektronischer Musik, ist da keine Ausnahme. Gegründet wurde Female Pressure 1998 von der österreichischen DJ und Technoproduzentin Electric Indigo alias Susanne Kirchmayr. Schockiert von der Unterrepräsentanz sammelte sie erste Kontakte für ein Netzwerk, das inzwischen fast 1.300 Mitglieder umfasst, darunter Talente, aber auch Stars wie Gudrun Gut, Miss Kittin oder die Komponistin Olga Neuwirth. Es liegt also nicht daran, dass die weiblichen Acts erst hochgepäppelt werden müssten. Ein Blick in die Datenbank, die auch nur einen winzigen Teil aller aktiven Künstlerinnen umfasst, genügt.
Das Problem liegt, laut Electric Indigo, vor allem an bewährten Mechanismen. „Es werden medial präsente Acts gebucht, um Zuschauer zu locken, und es werden Acts gebucht, die aus dem eigenen Umfeld kommen. Besteht es aus weiße Männern, spiegelt sich das im Line-up wider.“ Sind Musikerinnen medial nicht präsent, kommt auch kein Booker auf die Idee, diese für ein Festival zu engagieren. Dadurch schwindet wiederum die Chance, sich eine eigene Fanbasis aufzubauen und populärer zu werden. Es sei ein Teufelskreis, der sich da auftue. Doch es geht generell nicht nur darum, mehr Frauen auf den Bühnen dieser Welt zu präsentieren, es fehlt schlicht an Diversität.
„Kaum objektive Kriterien“
Wie bricht man solche altbewährten Booking-Strukturen auf und bietet trotzdem ein attraktives Programm, um unterm Strich Gewinn einzufahren? Liegt die Lösung in mehr Bürokratie und der Einführung einer Quote? Im Kulturbereich ist das schwierig, glaubt Electric Indigo. Bei Quoten stellt sich immer die Frage nach der Qualifikation und diese ist bei Musik extrem subjektiv. „Da gibt es kaum objektive Kriterien. Man kann natürlich sagen, schau dir die Facebook-Fans an – aber wird das der Kunst gerecht?“ Schaut man sich besser Airplays im Radio an? „Niemand, der seriös auf eine künstlerische Darbietung achtet, sagt, wer die meisten Facebook-Fans hat, macht die beste Kunst.“
Es bedarf also etwas größerer Recherche und etwas mehr Bemühungen, wenn sich die Festivallandschaft von den bewährten Künstlern hin zu größerer Vielfalt bewegen soll. Electric Indigo zeigt mit ihrem Netzwerk Female Pressure, wie so etwas funktionieren könnte. Nun veranstaltet es das [3][Perspectives Festival] in Berlin. An zwei Tagen treten 12 Künstlerinnen und 18 DJs auf. Zusätzlich finden Workshops über Technik und Musiksoftware sowie Panels zum Thema „Frauen in der elektronischen Musikszene“ statt.
Und falls sich noch jemand wundert, dass in 15 Jahren Female Pressure nicht viel passiert ist, weil weibliche Acts auf Festivals in der Minderheit sind: 1998 waren nur ein Prozent Frauen im Line-up. Heute sind es immerhin schon zehn Prozent. Und im Moment bewegt sich einiges.
15 Sep 2013
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