taz.de -- Streit in Großbritannien: Verschleiert vor Gericht
Barriere für die Justiz oder Tradition der Toleranz? Darüber streitet Großbritannien, nachdem ein Gericht einer Muslimin erlaubt hat, im Zeugenstand einen Schleier zu tragen.
LONDON afp | Die bedingte Zulassung der Verschleierung für Musliminnen vor Gericht hat in Großbritannien eine heftige Kontroverse ausgelöst. Der Londoner Richter Peter Murphy hatte Anfang der Woche entschieden, dass eine 22-jährige Muslimin zwar mit Gesichtsschleier im Gericht erscheinen dürfe, ihr aber zugleich die Abnahme des Nikabs bei ihrer Zeugenaussage auferlegt.
Die konservative Zeitung Daily Telegraph schrieb in [1][einem Leitartikel] am Dienstag, Schleier vor Gericht seien eine „Barriere für die Justiz“. Im Daily Mail forderte der frühere [2][Labour-Innenminister Jack Straw], dass die Regierung „weitergehen“ müsse. Der Daily Express vertrat die Auffassung, dass Großbritannien die [3][„Ausbreitung des Schleiers zurückdrängen“] müsse, während der linksliberale Guardian argumentierte, [4][Gesichtsschleier seien „nicht barbarisch“], aber die Antwort darauf könne es sein.
Die Boulevardzeitung The Sun verlangte gar ein [5][komplettes Schleierverbot] für Schulen, Krankenhäuser, Gerichte, Flughäfen und an Bankschaltern. Dies fordern auch einige Parlamentsabgeordnete, die auf die Gesetzgebung in Frankreich und Belgien verweisen, wo für öffentliche Orte ein Verbot für Burka und Nikab gilt.
In Großbritannien gibt es dagegen kein generelles Schleierverbot, und viele Briten verweisen stolz auf die „Tradition der Toleranz“ in ihrem Land. Darauf verweist auch der stellvertretende Premierminister Nick Clegg von den Liberaldemokraten, der ein Schleierverbot ablehnt.
Der konservative Regierungschef David Cameron hat sich ebenfalls dagegen ausgesprochen, das Parlament zu fragen, „was die Leute auf der Straße tragen sollen“. Zugleich unterstützt er „private“ Initiativen für Schleierverbote, etwa Kleiderordnungen in einzelnen Schulen oder Krankenhäusern.
18 Sep 2013
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