taz.de -- Morddrohung im Fall Oury Jalloh: „Motherfucker, ich bringe dich um“

Mouctar Bah kämpft seit Jahren für die Aufklärung des mysteriösen Feuertods Oury Jallohs. Jetzt drohen Unbekannte, ihn zu töten.
Bild: Mouctar Bah, Gründer der „Initiative Oury Jalloh“

BERLIN taz | Zwei Mal rief der Unbekannte an, seine Botschaft war dieselbe: „Ich bringe dich um und bringe auch deine Kinder um.“ Diese Drohung bekam am Samstag der aus Guinea stammende Dessauer Aktivist Mouctar Bah. Bah ist Gründer der „Initiative Oury Jalloh“. Die Gruppe kämpft seit über acht Jahren für eine Aufklärung des Todes des Sierra Leoners Oury Jalloh. Der Asylbewerber war 2005 unter mysteriösen Umständen in einer Dessauer Polizeiwache verbrannt; Bah war wegen seines Engagements immer wieder ins Visier von Behörden, Polizei und Neonazis geraten.

Die beiden Anrufe gingen laut Bah am frühen Nachmittag des 14. September in einem Abstand von wenigen Minuten auf seinem Handy ein. Nach der Drohung legte der Anrufer sofort auf. Bah war zu dieser Zeit in Begleitung einer Freundin, der er beim zweiten Anruf das Telefon gab. Laut einer schriftlichen Erklärung der Initiative bezeugt sie, den Satz „Motherfucker, ich bringe dich um“ gehört zu haben.

Nachdem die Initiative den Vorfall auf ihrer Internetseite öffentlich machte, nahm die Polizei von Amts wegen Ermittlungen auf. Bah selber hatte zunächst aus Mangel an Vertrauen zu den Behörden keine Anzeige erstattet. „Wir haben dies aber am Dienstag in Berlin nachgeholt“, sagt der Sprecher der Initiative Oury Jalloh, Komi Edzro.

Der 40-jährige Aktivist Bah war vor fünfzehn Jahren Deutschland gekommen, um hier Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Seit Jahren betreibt er in Dessau ein Internet-Café. Dort lernte er auch den später verbrannten Oury Jalloh kennen. Seitdem sich Bah nach dessen Tod in der Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte, gab es mehrfach Angriffe auf ihn und sein Internetcafé. Zuletzt wurde es in der Nacht zum 2. September von Unbekannten beschädigt. 2009 verlieh die Internationale Liga für Menschenrechte Bah für sein Engagement die Carl-von-Ossietzky Medaille.

Die persönliche Ehre verletzt

Der Fall Oury Jalloh beschäftigt die Behörden aber noch in einem anderen Zusammenhang: Am Mittwoch verhandelte das Amtsgericht Magdeburg zum zweiten Mal gegen eine Mitstreiterin Bahs. Sie soll im März diesen Jahres bei einer Demonstration drei Polizisten als „Mörder“ bezeichnet haben. Dadurch habe sie Beamten in ihre persönlichen Ehre verletzt, so die Anklage.

Am Mittwoch stellte sich jedoch heraus, dass das in der Anklage genannte Datum des Vorfalls falsch war: An jenem Tag gab es keine Demonstration in Magdeburg. Das Gericht vertagte den Prozess, bis das tatsächliche Datum geklärt ist. Ein anderes Mitglied der Initiative war in einem ähnlichen Verfahren im Sommer zu einer Geldstrafe von 4.500 Euro verurteilt worden.

19 Sep 2013

AUTOREN

Christian Jakob

TAGS

Schwerpunkt Rassismus
Polizei
Nazis
Schwerpunkt Ostdeutschland
Dessau
Oury Jalloh
Oury Jalloh
Schwerpunkt Rassismus
Oury Jalloh
Oury Jalloh
Oury Jalloh
Oury Jalloh
Oury Jalloh
Oury Jalloh
Oury Jalloh

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Oury Jalloh: Es darf keine Ermittlungstabus geben

Die Staatsanwaltschaft prüft den Fall des verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh. Auch die Mord-These muss jetzt endlich offen untersucht werden.

Fall Oury Jalloh: Neue Ermittlungen zur Todesursache

Wie starb der Asylbewerber Oury Jalloh? Seit Jahren gibt sein Tod in einer Polizeizelle Rätsel auf. Ein Polizist wurde verurteilt. Nun gibt es neue Ermittlungen.

Kommentar Justizversagen Ouri Jalloh: Rechtsstaat, was machst du?

Der Justiz kann man nicht in jedem Fall vertrauen. Sollen die Bürger jetzt immer Gutachter privat bezahlen, damit sie gezwungen wird, ihre Arbeit zu machen?

Aktivistin im Fall Jalloh über Gutachten: „Wie entsteht ein solches Brandbild?“

Bisherige Gutachten zum Feuertod Oury Jallohs seien zu beschränkt gewesen, sagt die Aktivistin Nadine Saeed. Ihre Initiative gab ein neues in Auftrag.

Neues Brandgutachten im Fall Jalloh: Mit Benzin begossen und angezündet

Zur Ursache vom Tod Oury Jallohs in Polizeigewahrsam gibt es ein neues Brandgutachten. Dessen Fazit: der Flüchtling muss ermordet worden sein.

Verfahren um Tod von Oury Jalloh: Geldstrafe für Protestler

Weil ein Mann afrikanischer Abstammung rund um den Prozess zu Straftaten aufgerufen haben soll, muss er 5.400 Euro zahlen. Mehrfach war es zu Tumulten gekommen.

Gedenken an Todestag von Oury Jalloh: Zwischenruf nach Aufklärung

Rund 500 Menschen haben in Dessau dem Tod von Oury Jalloh in Polizeigewahrsam gedacht. Eine Veranstaltung der Stadt wurde von Demonstranten gestört.

Prozess um Oury Jallohs Tod: Staatsanwaltschaft geht in Revision

Die rechtliche Prüfung von Aspekten des Todes Jallohs war im Verfahren nicht zugelassen worden. In einer Revision soll der Vorwurf der Freiheitsberaubung mit Todesfolge geklärt werden.

Der Fall Jalloh: Trotz Urteil ungeklärt

Der Prozess ist zu Ende, die Ungereimtheiten bleiben im Fall Oury Jalloh. Über den Brandverlauf, den Polizeizeugen, das Feuerzeug und mehr.

Urteil im Fall Oury Jalloh: Verurteilt, aber nicht aufgeklärt

Der angeklagte Polizist habe versäumt, nach Oury Jalloh in der Zelle zu schauen, so das Gericht. Die Vernichtung von belastenden Beweisen sei nicht erwiesen.