taz.de -- Der Fall Jalloh: Trotz Urteil ungeklärt
Der Prozess ist zu Ende, die Ungereimtheiten bleiben im Fall Oury Jalloh. Über den Brandverlauf, den Polizeizeugen, das Feuerzeug und mehr.
Das Feuerzeug: Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Jalloh seine Matratze in der Zelle mit einem Feuerzeug angezündet haben soll. Die Reste des fraglichen Feuerzeugs wurden aber nicht bei den ersten zwei Durchsuchungen der Zelle, sondern erst drei Tage später in der Aservatenlisten vermerkt.
Das Video: Die Durchsuchung der Zelle wurde von Polizisten gefilmt, doch wichtige Sequenzen fehlen auf den Bändern. An einen Stromausfall, von dem die Spurensicherung sprach, konnten sich die diensthabenden Beamten vor Gericht nicht erinnern. Verschwunden ist auch das Fahrtenbuch der angeklagten Polizisten; ein Eintrag im Journal des Polizeireviers wurde gelöscht.
Die fehlenden Faserreste: Im Sommer 2012 wurden an dem Feuerzeug Reste von Polyesterfasern nachgewiesen. Diese stimmen jedoch nicht mit der Kleidung Jallohs oder dem Material der Matratze in der Zelle überein.
Das Stresshormon: Bei der Untersuchung von Jallohs Urin wurden keine Reste des Stresshormons Noradrenalin gefunden. Das wird aber bei Stress wie „inhalativem Hitzeschock“ oft ausgeschieden. Ein Verbrennen ohne den Ausstoß von Noradrenalin wäre nach Auffassung der Nebenklage denkbar, wenn Jalloh bereits bewusstlos war.
Der Brandverlauf: Die letzten Aussagen des Brandsachverständigen stehen im Widerspruch zur Hypothese des Brandhergangs. Die Weise, in der Leichnam und Matratze verbrannt sind, passt nichts zur Annahme der Selbstentzündung.
Der Polizeizeuge: Im Prozess sagte der Dessauer Polizist Torsten B. aus, zwei seiner Kollegen gegen 11.30 Uhr, kurz vor dem Ausbruch des Feuers, in Jallohs Zelle gesehen zu haben. Es handele sich dabei um die beiden Polizisten, die Jalloh am Morgen festgenommen hatten. Diese behaupteten, die Zelle nach 9 Uhr früh nicht mehr betreten zu haben, im Dienstprotokoll ist auch kein Besuch vermerkt. Einer der beiden, der Beamte Hans-Ulrich M., war im ersten Prozess angeklagt, aber freigesprochen worden.
13 Dec 2012
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Zur Ursache vom Tod Oury Jallohs in Polizeigewahrsam gibt es ein neues Brandgutachten. Dessen Fazit: der Flüchtling muss ermordet worden sein.
Mouctar Bah kämpft seit Jahren für die Aufklärung des mysteriösen Feuertods Oury Jallohs. Jetzt drohen Unbekannte, ihn zu töten.
Weil ein Mann afrikanischer Abstammung rund um den Prozess zu Straftaten aufgerufen haben soll, muss er 5.400 Euro zahlen. Mehrfach war es zu Tumulten gekommen.
Rund 500 Menschen haben in Dessau dem Tod von Oury Jalloh in Polizeigewahrsam gedacht. Eine Veranstaltung der Stadt wurde von Demonstranten gestört.
Die rechtliche Prüfung von Aspekten des Todes Jallohs war im Verfahren nicht zugelassen worden. In einer Revision soll der Vorwurf der Freiheitsberaubung mit Todesfolge geklärt werden.
Im Fall Oury Jalloh ist das Strafmaß für den angeklagten Polizisten nun etwas höher ausgefallen als erwartet. Leider bedeutet das nichts.
Der angeklagte Polizist habe versäumt, nach Oury Jalloh in der Zelle zu schauen, so das Gericht. Die Vernichtung von belastenden Beweisen sei nicht erwiesen.