taz.de -- Die Wahrheit: Einen Fleischkoffer stehen lassen

Eine überzeugende Mehrheit der maskulinen Bevölkerung hegt ein inniglich freundschaftliches, wenn nicht gar zärtliches Verhältnis zu seinen Darmwinden.

Eine überzeugende Mehrheit der maskulinen Bevölkerung hegt ein inniglich freundschaftliches, wenn nicht gar zärtliches Verhältnis zu seinen Darmwinden. Allein die unanständig hohe Zahl einschlägiger Synonyme spricht eine deutliche Sprache. Blähen, einen ziehen, fliegen, fahren, streichen lassen, einen raushauen, koffern, dönern, den Hintern zum Sprechen bringen, ihn singen lassen, brunzen, brodeln, bratzen, bortzen, einen Afterorkan losbrechen lassen, durchlüften, Bauchhusten haben, hosenjodeln, einen Koffer stehen lassen und noch viele mehr kennt das Deutsche, immerhin die Sprache Goethes.

Ein Freund von mir, dessen Name nicht genannt werden möchte, Volker also hatte schon als Kind die Angewohnheit, ein diabolisches Grinsen aufzulegen, wenn ein gewaltiger Abwind im Anzug war, so ein Gesicht, das Vorfreude, Zuversicht des Gelingens und beinahe schon religiöse Seinszufriedenheit in Erwartung des baldigen Triumphs anzuzeigen schien. Wer mit ihm befreundet war, lernte bald es zu lesen und in Deckung zu gehen.

Es ist vielleicht das ewige Kind im Mann, das sich hier immer wieder offenbart. Denn wer mal einen Jungsgeburtstag ausgerichtet hat, wird irgendwann resignierend bemerken müssen, dass auch die beste Pointe kaum anstinken kann gegen das Geräusch eines veritablen oder auch nur mit den Lippen auf dem eigenen Handrücken imitierten Arschwindes von einiger Qualität. Er darf nur nicht gleich verpuffen, sondern sollte einer gewissen Dramaturgie gehorchen.

Mütter verstehen es nicht

Es ist eine Art Besitzerstolz, der den infantilen Erzeuger nach getaner Arbeit sichtlich überkommt, und das beeindruckte Gelächter seiner Altersgenossen scheint ihm gerechter Lohn für das gelungene Werkstück. Und Mütter schauen zu, versuchen zu lächeln, weil sie ihre Kinder lieben, aber sie verstehen es nicht.

So ganz verliert sich dieser Reflex offenbar nie. Ein besonders lautes, tonal ausgefallenes oder auch nur langandauerndes Exemplar sorgt in gewissen erwachsenen maskulinen Kreisen immer noch stets für Verwunderung, Erheiterung oder sogar Neid. „Kameradenschwein“ wird dann meist geschimpft. Oder: „Wenn du krank bist, musst du zum Arzt gehen!“ Aber sie meinen es nicht so, gerade beim „Fleischfurz“ schwingt immer eine gewisse Hochachtung mit.

Begabte Schausteller und Boulevardkünstler haben sich das zunutzegemacht und die Fähigkeit erlangt, durch eine erstaunliche Kontrolle der Darmschließmuskulatur die Tonhöhe der Abwinde gezielt zu modulieren. Ein gewisser Joseph Pujol sorgte für ziemlichen Wind auf den Jahrmärkten des späten 19. Jahrhunderts und trat sogar in geschlossenen Räumen wie dem Moulin Rouge auf.

Diese Kunst ist schließlich auch in die Popkulturgeschichte eingegangen. In Adrian Lynes Erotikschmonzette „9 (1)/2 Wochen“ begegnet das wie verrückt verliebte Paar, gespielt von Kim Basinger und Mickey Rourke, am Strand einem Jungen, der mit ihnen wettet, er könne die Titelmelodie des „Weißen Hais“ furzen. Er kann aber nur den ersten Ton, und den auch nur in Moll.

15 Oct 2013

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Schäfer

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