taz.de -- Die Wahrheit: Nobel grüßt der Quark

Nobelpreiswürdig sind nur Leute, von denen man noch nie etwas gehört hat – und Sachen, die keiner versteht. Das machen die beim Bambi besser!
Bild: Nobelpreiswürdig: Die Teilnehmer der Deutschen Meisterschaft im Kürbiswiegen in Ludwigsburg.

Wem der Publikumspreis einer Boulevardzeitung oder die Auszeichnung einer parteinahen Stiftung angedient wird, kennt das Problem: Das Geld ist ja ganz schön. Aber diese Schande! Von Schande kann beim Nobelpreis keine Rede sein. Allerdings kriegen den ständig Leute, von denen man noch nie was gehört hat. Das machen die beim Bambi besser! Den kriegen immer die Leute, die man schon seit Jahren nicht mehr sehen mag, so gut kennt man sie. Das hat was Verlässliches, und man weiß: Der hat den Preis zwar nicht unbedingt verdient, aber gerade Zeit.

Es ist ja in der Branche ein offenes Geheimnis, dass die wirklichen Stars solche Lametta-Preise nur nehmen, wenn man sie vorher ordentlich hofiert und ihnen einen dicken Scheck rüberschickt. Denn das ist das Wichtigste beim Bambi: Der Preisträger muss bereit sein, zur Verleihung ins mistige Berlin oder sonst wohin zu kommen und sich von deutschen Moderationsarschkrampen vor laufender Kamera ankreischen zu lassen. Beim Nobelpreis hingegen kommt es auf etwas ganz anderes an. Man muss zu irgendetwas geforscht haben, womit kein Mensch was anfangen kann.

Früher war das anders. Da hatten Forschungen noch einen praktischen Wert! Einstein zum Beispiel mit der Entdeckung, dass man jünger wird, wenn man im Weltraum rückwärts fliegt. Oder Edison: Wenn man den Schalter knipst, geht das Licht an. Werner Heisenberg mit der Aufdeckung des Zusammenhangs zwischen Unschärferelation und Brille lange nicht geputzt. Oder waren es seine Untersuchungen zur Spinnenfauna Aserbaidschans? Und wer eine neue Bakterie zusammenschraubte, war sowieso der Größte.

Wie auch immer: Damit konnte doch auch die nicht promovierte Hausfrau noch was anfangen! Heute hingegen gibt’s Nobelpreise „für die Entdeckung des Ursprungs der gebrochenen Symmetrie, welche die Existenz von mindestens drei Quarkfamilien voraussagt“ (Makato Kobayashi, Japan, 2008). Klingt zwar auf den ersten Blick auch nützlich – wegen „Quark“ – doch ist damit natürlich nicht das Milchprodukt gemeint, sondern … ja was eigentlich?

Schon lange wird darüber diskutiert, warum es keinen Nobelpreis für Mathematik gibt. Würde es dem Preis nicht guttun, wenn er sich der Vielfalt des Lebens öffnete? Wie wäre es mit einem Nobelpreis für die beste weibliche Nebenrolle in einem Film über den Abbau Seltener Erden, in dem die Seltenen Erden von Bully Herbig gespielt werden, und zwar in der Maske von Christine Neubauer? Oder für zehn Jahre keinen Punkt in Flensburg? Für den größten Kürbis?

Nützlicher Kürbis

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Die Schlauen werden wissen, warum der feine Herr Nobel solches nicht preiswürdig fand. Sicherlich steht in den Statuten des Nobelpreiskomitees irgendwas von Nutzen für die Menschheit drin oder so, vermutlich zwar auf Skandinavisch, was aber trotzdem gilt, wegen EU. Doch was ist jetzt nützlicher: unsichtbare Elementarteilchen aus symmetrisch gebrochenem Quark oder ein dicker Kürbis? Na bitte!

Die meisten Nobelpreise gehen ja an die Amis, zumindest die echten. Ein Abo hat eben seine Vorteile. Für den Rest der Welt bleiben nur der für Literatur und für Dings … Frieden! Den Literaturnobelpreis gibt’s sogar immer mal wieder für einen Deutschen oder wenigstens für jemanden mit deutschen Wurzeln: angefangen bei Theodor Mommsen für seine „Römische Geschichte“, über Hermann Hesse, der ja eigentlich Schwabe war, bis zur Wurzeldeutschen Herta „BSC“ Müller für ihre Übersetzung deutscher Fußball-Fan-Gesänge in rumänische Haartrockner-Bedienungsanleitungen.

Es scheint in Mode zu kommen, Nobelpreise nicht an Einzelpersonen zu vergeben, sondern an Großorganisationen wie die EU oder an irgendein tausendköpfiges Forscherkollektiv, das über dem Bunsenbrenner eine neue Primzahl herbeigeröstet hat. Offen gesagt, sind geteilte Preise natürlich Mist. Wer teilt schon gern sein Milliönchen, wenn er es locker auch allein ausgeben könnte? Bambi wird ja auch nicht filetiert.

Aber vielleicht ändert sich das demnächst. Dann kriegt einer die Keulen als „Bester Newcomer“ im Bereich „Mehrstündige Panflötensoli“, die Brust ein Achtzehnjähriger für sein Lebenswerk, und die Innereien gehen an irgendeine Stiftung, „Mittelschicht-Kinder in Not“, oder „Ärzte ohne Gewissen“. Und sollten die Juroren irgendwann mal gar keinen finden, der ihnen ihre tierförmige Kleinplastik abnimmt, dann geht der nächste Bambi eben ungefragt an die Nobelstiftung.

18 Oct 2013

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Niemann

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