taz.de -- Kommentar Mursi-Prozess: Selektive Rechenschaft
Während Hosni Mubarak freigesprochen werden könnte, darf Mohammed Mursi nicht auf Milde hoffen. Für Ägypten ist das keine Lösung.
Jetzt ist der einst gewählte und vom Militär verschleppte Präsident Mohammed Mursi nach vier Monaten Gefangenschaft endlich wieder aufgetaucht: auf der [1][Anklagebank eines ägyptischen Strafgerichts]. Egal wie fair die Richter mit diesem Fall umgehen werden, die Umstände sind hochpolitisch
Das machten schon die ersten Worte Mursis deutlich, der sich den Richtern als rechtmäßiger Präsident des Landes vorstellte, der durch einen Putsch aus dem Amt entfernt wurde. Symbolisch ist auch der Streitpunkt, ob Mursi eine Gefängnisuniform oder zivile Kleidung tragen darf.
Aber hier steht nicht nur Mursi, sondern ganz Ägypten vor Gericht. Mit Mursi wird zeitgleich auch dessen Vorgänger Mubarak der Prozess gemacht. Tatsächlich ist es möglich, dass Mubarak freigesprochen wird, während Mursi ins Gefängnis wandert. Das liegt auch daran, dass die staatlichen Institutionen den Fall Mubarak stets sabotierten, aber im Falle Mursis sicherlich freudig mit dem Gericht zusammenarbeiten werden. Ein Hinweis darauf, wie sehr der Sicherheitsapparat noch im Sinn des alten Systems operiert.
Zur Beruhigung des Landes wird diese selektive Rechenschaft sicher nicht dienen. Der Prozess ist keine Lösung, sondern eine Reflexion der politischen Krise und der instabilen Lage. Die Muslimbrüder und die Koalition der Putschgegner sind nicht stark genug, das Ruder in Ägypten herumzureißen, aber sie sind stark genug, mit Protesten das Land lahmzulegen.
Und das bringt uns zum größten Problem der Militärführung. Denn die weiß, dass die Zeit gegen sie spielt. Noch jubelt ein Teil der Bevölkerung dem Militärchef al-Sisi zu. Was ihm passieren kann, wenn er es nicht schafft, die Probleme auch nur ansatzweise zu lösen, kann er im Gerichtsverfahren studieren. Wenn es denn mal ordentlich stattfindet.
4 Nov 2013
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