taz.de -- Kein Olympia in Bayern: Ja so eine Neineritis!

Sachen gibt’s: Alle bayrischen Standorte haben gegen eine Austragung der Winterspiele gestimmt. Steht uns jetzt ein München 21 bevor?
Bild: Trotz groß angelegter Kampagnen geht es für die olypmischen Winterspiele 2022 in Bayern nicht weiter

Von Bayern lernen, heißt siegen lernen! Das ist nicht von Pep und auch nicht vom Uli. Aber es könnte vom Bündnis „NOlympia 2022“ stammen. Denn es gibt Koalitionen, es gibt Große Koalitionen und es gibt verdammt Große Koalitionen. Die OJa!-Kampagne für die Bewerbung Bayerns für die Olympischen Winterspiele 2022 war so eine.

Zur letzten Kundgebung der Gegner vor einer Woche auf dem Marienplatz waren wir knapp 20 Leutchen – und blieben es. Zaghafte Parolen verhallten im diesigen Citysmog, Pressestatements wurden von launischen Presslufthämmern zerhäckselt. Im Hintergrund ergoss sich ein haushohes OJa!-Transparent über die Hugendubel-Fassade. Eine beschaulich Friedhofsruhe, wie man München eben kennt.

Der mächtige FC Bayern warb mit ganzseitigen Anzeigen, Siemens trommelte, sogar der ADAC, der doch zur Bayernwahl noch Seehofers Maut schredderte, der BMW-Welt-Chef warnte vor „Neineritis“, die SPD suchte nach der verlorenen Landtagswahl Anschluss, und von Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte man ohnehin nichts anderes erwartet. Der Schnauzbart des ehemaligen Mieteranwalts erinnert nicht nur zufällig an Capulcu Erdogan.

Auch bei ihm spürt man die Verzweiflung des künftigen Expatriarchen, noch schnell Bauherrengeschichte zu schreiben: Sei es eine S-Bahn-Röhre, eine Startbahn oder eben Olympia, koste es, was es wolle. Sportlerlegenden reckten ihre sonnengegerbten Daumen. Schließlich hatte der unvermeidliche Willy Bogner ja schon beim letzten Mal gemahnt: „Aufgabe ist es, die Öffentlichkeit mit dem Olympischen Feuer anzuzünden.“ Nun begann man aber zu zündeln.

Pro-Broschüren und Extra-Pro-Briefe

Der Münchner Stadtrat hatte die Sache zwar nahezu einstimmig abgenickt (nur die Grünen waren nun beim zweiten Anlauf abgesprungen), aber um auf Nummer sicher zu gehen, verschickte er mit den Wahlunterlagen gleich mal eine Pro-Broschüre mit und noch einen Extra-Pro-Brief dazu. Aber keinerlei Gegenstandpunkte. Die krönende Schnapsidee waren schließlich Pro-Olympia-Durchsagen in der S-Bahn. Selbst eingefleischten Befürwortern stieß das sauer auf. Man hätte sich durchaus vorstellen können, am Sonntag, in der geheimen Wahlkabine, könnte plötzlich hinterrücks eine Blaskapelle auftauchen und ein Typ sein Megafon ins Bürgerohr stopfen und brüllen: „DA MUASST DES KREIZL MACHA!!“ Und dann das!

Alle vier Standorte stimmen mit NEIN. Ist das nun der Beginn von München 21, wird der Marienplatz zum Tahrirenplatz? Sammeln sich antikapitalistische Partisanen in den Alpenschluchten? O ja, möchte man sagen: In Garmisch rumort es schon seit Jahren. Die Bauern dort wurden schlicht für blöd gehalten und bekamen Verträge, wenn überhaupt, nur kurz und in letzter Sekunde zu sehen. Der Gemeinderat griff zu Totschlagargumenten: die Olympischen Winterspiele seien „eine Gelegenheit, unseren durch die Passionsspiele weltbekannten Ort auf der ganzen Welt bekannt zu machen.“

Konservativ, aber zornig

Man braucht hier nicht einmal Internet, um den Klimawandel mitzubekommen: Abgeholzter Bergwald, Bäche, die ungehalten zu Tal stürzen, Beschneiungsteiche für Schneekanonen, weil Schisport ohne Schnee, des daad vom Image her ganz schlecht rüberkemma. Vielleicht hat es Schi-Legende Neureuther auf den Punkt gebracht: Es herrsche allgemein gerade „eine fast schon zu große Zufriedenheit mit dem, wie es gerade ist“. In der Tat: Es ist gerade noch ein Rest der Bergwelt intakt. Also doch konservativ? Schon, aber mit zorniger Attitüde. Nach dem Motto: „Wir brauchen keinen IOC in Bayern. Wir haben schon einen: Die CSU.“ 56 Jahre plus x, das muss dann auch reichen.

11 Nov 2013

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Christian Ude
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