taz.de -- Bahn prüft Nachtzüge: Das Ende der Schlaffahrer
Autoreise- und Nachtzüge stehen bei der Bahn vor dem Aus. Das wäre schade, denn damit ginge eine wichtige Kultur des Reisens verloren.
Wir waren eine Zumutung! Aus Berlin kommend, besuchten wir Freunde in Freiburg – mit dem Nachtzug. Warum mit den müden, quengelnden Kleinkindern abends im ICE sitzen, wenn man beim Reisen auch schlafen kann? Das war die Überlegung. In Wirklichkeit machten wir – und die Mitreisenden im Abteil – kaum ein Auge zu, weil unsere Tochter Zahnweh hatte und die halbe Nacht schrie. Wie gerädert stiegen wir am nächsten Morgen aus dem Zug. Die Rückfahrt ein paar Tage später verlief glimpflicher. Aber beim nächsten Mal fuhren wir tagsüber mit dem deutlich schnelleren ICE – und seitdem als Familie nie wieder Nachtzug.
Der Nachtzug scheint aus der Mode zu kommen, trotz großer Werbeanstrengungen der Bahn. Der Konzern überlege, schreibt der Spiegel in dieser Woche, die nächtlichen Autoreisezüge abzuschaffen; auch das klassische Nachtzuggeschäft mache Verlust. Eine Bahnsprecherin blieb auf Anfrage wortkarg: Kein Kommentar dazu, keine Zahlen zu dem Geschäftsfeld. Nur so viel: Es handele sich um ein schwieriges Saisongeschäft, über das der Bahnvorstand bei seiner nächsten Sitzung im Dezember zu befinden habe.
Dass die Autozüge zu wenig ausgelastet sind, weil für die meisten Kunden die Kombination Billigflieger plus Mietwagen günstiger und bequemer ist, leuchtet schnell ein. Aber die Nachtzüge? Über Nacht als Berufspendler von Berlin oder Hamburg nach München, um dort unter der Woche zu arbeiten? Oder nächtens aus dem Ruhrgebiet mit allerlei Skiausrüstung zum Winterurlaub in die Alpen? Oder mit dem Rad in den Nachtzug, weil der ICE dafür tabu ist? Für solche und andere Bedürfnisse müsste es doch ein Angebot und eine Nachfrage geben, selbst im dicht besiedelten Deutschland, wo der Nachtzug im Halbstundentakt an Provinzbahnhöfen haltmacht.
Oder liegt die niedrige Nachfrage gar nicht an der Konkurrenz von Flugzeug, Fernlinienbus und Mitfahrgelegenheit, sondern an mangelnder Reisequalität? Ein Nachtzugpassagier möchte sicher, sauber, pünktlich und ausgeschlafen am Zielort ankommen, wobei der Preis für die reine Übernachtung den eines einfachen Hotels oder Hostels nicht übersteigen darf.
Reisen kann immer nervig sein
Deutliche Verspätung des Zuges, über die regelmäßige Nachtzugnutzer mitunter klagen, ist kaum geschäftsfördernd. Ebenso nächtliche Ruhestörungen, sei es durch häufiges Rangieren oder lautes Plaudern von Mitreisenden oder Schaffnern. Andererseits: Belästigungen durch andere Reisende kann es auch im Bus oder Flugzeug geben. Auf der Autobahn kann das sogar gefährlich sein: Zwar muss man hier, in der eigenen Blechkiste, nicht das (Handy-)Gequatsche von Wildfremden ertragen, aber der Raser hinter der Heckscheibe drängelt bedrohlich.
Natürlich kann eine Nachtzugreise auch entspannt sein: Das Abteil ist warm und gut gelüftet, die Bettlaken sind sauber und die Mitfahrer ruhig – und nach dem Aufwachen am Morgen zieht eine ganz andere Landschaft am Fenster vorbei als am Vorabend. Das Gefühl, weit gefahren zu sein, paart sich mit der Lust, am neuen Tag etwas Neues zu erleben. Toll.
Zumal die Alternativen nicht immer welche sind. Eine Busfahrt dauert deutlich länger und ist unbequemer. Und wer mit dem Flugzeug, sich eine Übernachtung sparend, morgens in einer anderen Stadt sein will, muss meistens in aller Hergottsfrühe zum Flughafen aufbrechen, übermüdet die Sicherheits- und Eincheckprozeduren über sich ergehen lassen und durch verwinkelte Einkaufspassagen laufen, um irgendwann in einem überfüllten Vorortzug zu landen oder mit dem Taxi im Stau zu stehen. Reisen kann ziemlich nerven. Nicht nur in einem Nachtzugabteil mit schreienden Kleinkindern.
25 Nov 2013
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