taz.de -- Cameron zu Sozialleistungen in GB: Kein Geld für EU-Ausländer
Wer nicht in Großbritannien ist, um zu arbeiten, wird „entfernt“, sagt Premier David Cameron. Und greift damit das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU an.
LONDON dpa | Großbritanniens Premierminister David Cameron will den Zugang zum britischen Sozialsystem für EU-Ausländer massiv einschränken. Von 2014 an gilt die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die neuen Mitglieder Rumänien und Bulgarien. Neuankömmlinge sollen die ersten drei Monate keine Sozialleistungen mehr in Anspruch nehmen können, wenn sie keinen Arbeitsplatz haben. Das schrieb Cameron am Mittwoch in einem Gastbeitrag für die Financial Times.
Cameron reagierte auf Drängen seines rechten Tory-Parteiflügels. Er griff damit direkt das Recht auf Freizügigkeit in der EU an. „Es ist Zeit für ein neues Übereinkommen, das die Tatsache anerkennt, dass Freizügigkeit ein zentrales Prinzip der EU ist, aber dass es nicht ein bedingungsloses sein kann“, schrieb Cameron.
Nach seinen Worten sollen noch maximal sechs Monate Arbeitslosenunterstützung möglich sein, wenn nicht mindestens die Aussicht auf einen Job besteht. „Wenn die Leute nicht hier sind, um zu arbeiten – wenn sie betteln oder im Freien schlafen –, dann werden sie entfernt“, heißt es in dem Text Camerons wörtlich.
In der nächsten Legislaturperiode wolle er im Falle einer Wiederwahl insgesamt das Thema Migrationsströme in der EU angehen, kündigte Cameron an. Es sei ein Fehler seiner Vorgängerregierung gewesen, im Jahr 2004 nach der EU-Erweiterung unbeschränkt viele Menschen aus Osteuropa einreisen zu lassen.
Kritik aus Brüssele
Kritiker sehen Camerons These widerlegt. In den vergangenen Jahren wurden in Großbritannien immer wieder wissenschaftliche Studien vorgelegt, die einen Zusammenhang zwischen steigenden Sozialausgaben und Einwanderung verneinen. Der liberaldemokratische Parlamentsabgeordnete Julian Huppert sagte am Mittwoch, Camerons Vorschläge seien „übertrieben“.
Kritik erntete der britische Premierminister auch aus Brüssel. Der EU-Sozialkommissar Laszlo Andor warf ihm im BBC-Interview „Hysterie“ vor. Cameron habe „überreagiert“. Justizkommissarin Viviane Reding betonte, die Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der EU sei eine fundamentale Säule des EU-Binnenmarktes und „nicht verhandelbar“. „Ich verstehe die politische Logik nicht“, betonte sie. Großbritannien sei immer ein großer Verfechter der EU-Erweiterung gewesen. „Wenn die Erweiterung passiert, sind sie plötzlich nicht mehr glücklich.“
27 Nov 2013
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die britische Regierungskoalition streitet darüber, ob die Zahl der Zuwanderer aus EU-Ländern beschränkt werden sollte. Sie könnte um fast die Hälfte sinken.
Der britische Premier David Cameron will die Niederlassungsfreiheit in der EU drastisch einschränken. Die EU-Kommission gibt sich empört.
Im Ruhrgebiet steigt die Zahl der Menschen aus Rumänien und Bulgarien. Viele von ihnen sind Roma. Die Stadt Dortmund hat die Zuwanderung lange ignoriert.
Was tote Gefangene, Neonazis und ertrunkene Flüchtlinge eint? Eine unfähige und systematisch rassistische Justiz und Polizei in Deutschland.
Das Bild von den armen, arbeitssuchenden Rumänen, die massenhaft in Berlin einreisen, ist antiziganistisch, sagt Marius Krauss vom Verein Amaro Foro.
Rumänen und Bulgaren haben in Deutschland selbst bei Obdachlosigkeit keinen Anspruch auf Sozialleistungen.
Das jüngste Urteil zu Hartz IV für Rumänen ist keineswegs so großzügig wie viele glauben. Denn das Aufenthaltsrecht ist in Gefahr.
Arbeitslose EU-Bürger haben nach Auffassung des Landessozialgerichts NRW Anspruch auf Hartz IV. Der Paritätische Wohlfahrtsverband begrüßt das Urteil.