taz.de -- Kommentar Googles Anti-Spähkampagne: Verlogen? Genau!
Große Internetkonzerne wie Google oder Facebook starten eine Kampagne gegen Spionage. Selbst wollen sie auf das Datensammeln aber nicht verzichten.
Drei Nachrichten aus dem Jahr eins nach Snowden: In der neuesten Version des Google-Betriebssystems Android lauscht das Smartphone mittels App mit, um Sprachbefehle zu empfangen. Die Spielkonsole Xbox von Microsoft registriert unter anderem jede Bewegung und die Mimik von anwesenden Personen und überwacht so das Wohnzimmer.
Die großen Internetkonzerne – von Google über Microsoft bis Facebook – starten eine Kampagne gegen die Spionageprogramme von Geheimdiensten.
Verlogen? Genau. Dass die Konzerne Grenzen für die Datensammelei fordern, klingt nach einem schlechten Witz. Sie selbst sammeln schließlich grenzenlos. Die Telefonnummer zum Anlegen eines E-Mail-Accounts, Profile über Interessen und Vorlieben, Informationen zu Freundschaften, Familienbeziehungen, Liebschaften.
Dass die gesammelten Informationen irgendwann gelöscht werden – unwahrscheinlich. Warum auch, sie lassen sich zu Geld machen. Dabei ist es längst nicht so, dass die Konzerne nur passiv Daten sammeln, die ihnen Nutzer mehr oder weniger freiwillig anvertrauen, statt, wie Geheimdienste, aktiv in die Privatsphäre der Nutzer vorzudringen. Das Beispiel Xbox zeigt das Gegenteil.
Dass die großen Internetkonzerne sich nun für weniger Überwachung aussprechen, heißt also nicht, dass sie weniger Überwachung wollen. Sie haben nur Angst davor, Nutzer zu verlieren.
Denn Datenschützer, Aktivisten und immer wieder auch der scheidende Telekom-Chef werden nicht müde zu betonen, dass es ja Alternativen gebe: Hier, in Deutschland, in Europa. Niemand ist gezwungen, mit Google zu suchen. Keiner muss mit einem Apple-Handy telefonieren. Die EU mit ihren 500 Millionen potenziellen Kunden ist ein Markt, den die Konzerne gerne halten wollen. Zur Not mit groß angelegter PR.
10 Dec 2013
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der Internetkonzern will angeblich beim Stromsparen helfen. Tatsächlich baut er aber seinen Einflussbereich im Alltag weiter aus.
Obama soll die Reform der Geheimdienstarbeit forcieren. Das gaben die Spitzen von Apple, Google und Yahoo bei einem Treffen im Weißen Haus zu verstehen.
Online-Werbekonzerne wie Google nutzen Cookies, um das Verhalten der Nutzer im Web nachzuverfolgen. Die NSA soll diese für ihre Überwachung nutzen.
Bestimmte Bürgerrechte sind längst außer Kraft gesetzt, sagt die Österreicherin Eva Menasse. Sie ist Mitinitiatorin des Schriftsteller-Aufrufs gegen die Schnüffelei.
Mit einem Aufruf fordern Intellektuelle, private Daten zu respektieren. Die Initiatoren wollen damit eine zivile Massenbewegung anstoßen.
Netzaktivist Jacob Appelbaum wird von US-Behörden schikaniert, Howard Schmidt arbeitete für Barack Obama zu Cybersicherheit. Ein Gespräch über Überwachung.
Apple, Facebook, Microsoft und Google gehen nach den NSA-Enthüllungen in die Offensive. Sie fordern von Regierungen, ihre Geheimdienste stärker zu konrtrollieren.
Whistleblower wie Edward Snowden sollen in Japan mit Androhung hoher Haftstrafen abgeschreckt werden. Kritiker fürchten auch eine Einschränkung der Pressefreiheit.
Der deutsch-brasilianische UN-Vorstoß ist eine angemssene Antwort auf die Überwachungs-Enthüllungen. Auch diplomatisch ist sie clever.