taz.de -- Fußballfans in Schottland: Celtic verbannt seine Ultras

Die Klubführung ist schon lange genervt. Jetzt hat Celtic Glasgow die Ultras aus ihrem Fanblock vertrieben und sie im Stadion verteilt.
Bild: Oktober 2013: Der Celtic Park vor dem Champions-League-Spiel gegen Barcelona

Die Green Brigade von Celtic Glasgow ist Großbritanniens einzige relevante Ultragruppierung. Ihren Vorbildern auf dem Kontinent nacheifernd bemüht sie sich darum, die Atmosphäre im Celtic Park zu verbessern. Jahrzehnte der Repression haben aus den Stadien der britischen Inseln trostlose Arenen werden lassen. Kein Wunder, dass die Green Brigade Zulauf bekommt.

Ihr Block im Stadion ist die „Section 111“. Dieser soll ab sofort leer blieben. Der Grund dafür ist keineswegs mangelndes Interesse. Der Klub erfreut sich dauerhaft großer Sympathie in Schottland. Die Vereinsführung von Celtic Glasgow hat sich dazu entschlossen, die Inhaber von Dauerkarten des Blocks 111 umzusiedeln und im gesamten Stadion zu verstreuen.

Dies ist Teil eines Maßnahmenpakets, zu dessen Durchsetzung sich der Verein nach seinem Auswärtsspiel bei Motherwell FC gezwungen sieht. Ein weiterer Schritt ist die Verhängung vorbeugender Stadionverbote für Heim- und Auswärtsspiele gegen 128 Personen.

Sie werden überwiegend gegen Mitglieder der Green Brigade ausgesprochen und gelten so lange, wie die Ermittlungen zu den Vorfällen laufen. In einer Pressemitteilung heißt es dazu: „Ereignisse wie solche vom Freitagabend repräsentieren nicht die Fankultur von Celtic oder den Verein. Diese Ereignisse waren eine Schande für unseren großartigen Fußballverein und sind absolut unentschuldbar.“

Was war passiert? Vergangenen Freitag wurden während der Partie im Fir Park Stadium grüne Rauchdosen und Bengalos gezündet. Eine Feuerfackel flog auf den Platz. Mehrere Sitze im überfüllten Block wurden zerstört. Dafür verantwortlich gemacht wird nun die Green Brigade. Eine schottische Sportzeitung betitelte ihre Ausgabe sogar mit der Schlagzeile „Stoppt das sofort, oder jemand wird sterben!“

Gemeinschaftlich gehüpft

Michael Pringle ist Journalist und schreibt seit über zehn Jahren für das Celtic-Fanzine More than 90 Minutes. Mit der Green Brigade ist er seit deren Gründung vertraut. „Viele Fans wollen immer wieder Teil dieser Stimmung sein und pilgern dorthin, wo die Gruppe steht. Die Sitze wurden zerstört, weil einfach so viele Leute im Block waren und man gemeinschaftlich gehüpft ist“, sagt er. Unterdessen bedauert die Gruppe die Vorfälle: „Wir billigen weder die Zerstörung von Sitzplätzen noch begrüßen wir, dass Pyrotechnik auf den Platz geworfen

Im Fokus standen die Celtics Ultras schon länger. Das mag an ihrem politischen Engagement liegen. Die Green Brigade sammelt Spenden für Obdachlose und betreibt Antirassismusarbeit. Vor allem aber versucht sie, gegen die Repression im schottischen Fußball anzugehen. Vor einer Weile hat sie die Kampagne „Fans Against Criminalisation“ mitinitiiert. Sie soll zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem „Offensive Behaviour at Football Act“ beitragen. Dieser stellt konfessionelle Beleidigungen bei Fußballspielen unter Strafe.

In der Praxis werden jedoch auch beim Fußball übliche Spottgesänge verfolgt. Außerdem werde die irische Historie und das Brauchtum des Vereins unterdrückt, so die Kritiker. Beim Champions-League-Spiel gegen AC Mailand vor ein paar Wochen, zeigten die Ultras Bilder des schottischen Freiheitskämpfers William Wallace und der IRA-Ikone Bobby Sands. Die Uefa leitete daraufhin Ermittlungen ein. Politische Äußerungen im Stadion sind nicht erlaubt. So etwas soll nicht mehr vorkommen, auch das zeigt das schnelle Handeln der Klubverantwortlichen.

Schon im August diesen Jahres versuchten sie den Sektor der Ultras zu schließen. Nach zahlreichen Protesten nahm man davon wieder Abstand. Nach ihrer Verbannung fürchten die Ultras nun, dass die Kampagne „Fans Against Criminalisation“ Unterstützer verliert. Dabei hatte die Öffentlichkeit gerade begonnen, das Anliegen zu unterstützen. Die Sperrung von Block 111 führt zudem dazu, dass den Ultras der entscheidende Ort ihres Protests genommen wird.

15 Dec 2013

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Mander

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