taz.de -- Freistoß-Spray bei Fußball-WM: Der schöne Schaum
Der Schiedrichter als Sprayer: Die Fifa will auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft ihr neues Freistoß-Spray einsetzen. Eine klasse Idee.
Es kommt aus Buenos Aires und nennt sich „915 Fair Play Limit“. Das farbige Spray, laut Hersteller „eine Flüssiggassubstanz, biologisch abbaubar und harmlos für den Rasen“, macht den Schiedsrichter zum Platzwart. Er sprüht damit eine Markierung auf den Rasen, um beim Freistoß die gegnerische Mauer auf Abstand zu halten. 9,15 Meter müssen es sein. Mit dem Schaum, der nach 45 Sekunden verschwindet, geht das ganz einfach.
Derzeit wird das Spray bei der Klub-WM in Marokko eingesetzt. Es sieht komisch aus, scheint aber effektiv. Es setzt dem trickreichen Raumgewinn der Mauer ein Ende, jenem Getrippel im Rücken des Schiedsrichters. Wenn man die Bilder aus Marokko richtig interpretiert, dann steht die Mauer künftig nicht mehr zu nah dran am Schützen, sondern eher weiter weg.
Mit dem Spray können es auch mal zehn Meter oder mehr werden. Auch das ist nicht schlecht. So könnten mehr Tore fallen. Schon schön, die Sache mit dem Schaum, wird der Schütze denken, der den Ball nun wunderbar über das Bollwerk zirkeln kann.
Noch muten die Bemühungen der Schiedsrichter etwas merkwürdig an. Sie werden von europäischen Medien gern verlacht und bespöttelt, wenn sie mit der Dose losziehen und ihre Linie sprühen. Aber das ist nur eine Sache der Gewöhnung. In den Ligen Argentiniens und Brasiliens wird bereits eifrig gesprayt und auch bei Juniorenweltmeisterschaften. Fifa-Chef Sepp Blatter will das Zeug nun auch bei der Weltmeisterschaft in Brasilien einsetzen.
Gralshüter des reinen, unverfälschten Spiels
Gibt sich die Fifa damit also innovationsfreudig? Ein bisschen. Warum sollte nicht gesprayt werden, wo doch sonst vieles im Fluss ist im Fußballbereich: Die Banden flackern wie wild, Stehplätze gibt’s immer weniger, Schiedsrichter tragen Mikros und erscheinen schon mal in Mannschaftsstärke.
Und die nächsten Neuerungen warten schon auf ihre Einführung. Demnächst kommt die Torlinientechnik. Auch auf den Videobeweis dürfte irgendwann zurückgegriffen werden. Er hat sich in vielen Sportarten durchgesetzt, verhindert grobe Fehlentscheidungen, von denen wir in der Bundesliga-Hinrunde viele gesehen haben, man erinnere sich nur an das Phantomtor von Leverkusen.
Blatter gibt sich zwar stets als Gralshüter des reinen, unverfälschten Spiels, aber er hat auch ein Gespür für Strömungen und Entwicklungen. Wenn der Druck zu groß wird von außen, dann dürfte der Taktiker elegant umschwenken. Vielleicht wird er gar zum größten Fan des Videobeweises werden.
Er habe es ja schon immer gewusst, welches Reformpotenzial da dringesteckt habe, mag Blatter dann sagen. Recht so. Der Fußball verträgt so einiges: Spray, Torkameras und Videobeweise.
20 Dec 2013
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