taz.de -- Luxusarchitektur in den Emiraten: Ein Louvre im Wüstensand

In Abu Dhabi sollen zahlreiche Prestigebauten entstehen. Ins Stocken geratene Mammutprojekte erhalten Anschub durch die Expo 2020 im Nachbaremirat Dubai.
Bild: Die Etihad Towers von Abu Dhabi bei Nacht

Als im vergangenen November verkündet wurde, dass die Weltausstellung 2020 in die Vereinigten Arabischen Emirate nach Dubai geht, knallten auch in Abu Dhabi die Korken. Denn das Nachbaremirat verspricht sich massive Synergien für das Land - die fokussierte Aufmerksamkeit einer breiten Weltöffentlichkeit und im Vorfeld endlich wieder mehr Geldflüsse für ins Stocken geratene oder abgespeckte Mammutprojekte. Gezweifelt hatten die Emiratis indes nie wirklich am Zuschlag für die Expo, betonieren sie doch schon seit Jahren prestigeträchtige Bauwerke in den Wüstensand.

Was da beispielsweise auf einer Insel vor Abu Dhabi City am Entstehen ist, klingt wie ein Märchen aus Tausenundeiner Nacht. Auf den ersten Blick zumindest. Die Crème de la Crème der internationalen Architektenszene soll das öde Saadiyat Island („Insel der Glückseligen“) in einen Kunstdistrikt erster Güte verwandeln und Abu Dhabi in den Olymp der bedeutendsten Kulturstädte weltweit beamen.

Der Kanadier Frank O. Gehry baut das Guggenheim-Museum Abu Dhabi, der Brite Sir Norman Foster das Sheikh Zayed National Museum, die Irakerin Zaha Hadid das Center for Performing Arts, der Japaner Tadao Ando das Maritime Museum und der Franzose Jean Nouvel den Louvre Abu Dhabi. Staatschef Scheich Khalifa bin Zajed Al Nahyan (geschätztes Vermögen: 23 Milliarden Dollar) legte die Messlatte extrem hoch. Er erwarte „architektonische Weltwunder von hohem ikonografischem Wert“.

Geld spiele dabei keine Rolle. So jedenfalls die Tonart bei der Planung noch vor ein paar Jahren. Ganz nebenbei heizte der absolutistische Herrscher den konkurrierenden Superstars geschickt ein. Schließlich sollen alle Gebäude in direkter Nachbarschaft zueinander entstehen. Genau dies stellte die illustre Fünferrunde, allesamt Pritzker-Architektur-Preisträger, vor ein ungewohntes Problem.

Blinde Entwürfe

Die einzelnen Entwürfe entstanden praktisch blind, also ohne den gewohnten städtebaulichen Kontext. „Am Bauplatz waren nichts als Mangroven, und zur Orientierung hatte ich nur die Fußspuren im Sand zur Verfügung“, erinnert sich Frank O. Gehry. „Ich kam mir vor wie ein Blinder, der sich mit allen anderen Sinnen in eine Kultur hineinfinden musste.“

Was dort auf den fünf Reißbrettern entstanden ist, könnte in der Tat unterschiedlicher kaum sein: Die Federn eines monumentalen Falken beherbergen das künftige Nationalmuseum, fließende Linien umschließen das lichtdurchflutete Performing Art Center, überdimensionalen Segeln gleich strahlt das weiße Meeresmuseum in der arabischen Sonne, und gigantische kubistische Körper beherbergen die zeitgenössischen Ausstellungsstücke des New Yorker Ablegers Guggenheim.

Jedes Bauwerk, ja selbst einzelne Bauelemente ein Kunstwerk für sich. Wie das künftige kreisrunde Dach des Louvre, das eher an eine perforierte fliegende Untertasse erinnert. Allein durch ornamentale Aussparungen soll später das Licht in die heiligen Hallen fallen. Ob wirklich unter gleißender Sonne wirkt, was die 3-D-Animationen versprachen, testete Jean Nouvel vor kurzem mit dem Rain Light Building.

Es simulierte einen kleinen Teil des späteren Museums in Originalgröße. Der millionenteure Test funktionierte, und schon 2015 soll nun der arabische Louvre als erstes der fünf Häuser seine Türen öffnen, 2016 das Nationalmuseum und ein Jahr darauf Guggenheim.

Zweite Bauphase verschoben

Sollen. Wieder und wieder mussten die Eröffnungstermine annulliert, Meeresmuseum und Performing Art Center gar in eine zweite Bauphase auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Zudem wurden Rufe nach einem abgespeckten Guggenheim und nach mehr islamischer Kunst laut. Die ertönen in Zeiten des sogenannten Arabischen Frühlings von ungewohnter Seite. Den eigenen Untertanen erscheint der Kunstdistrikt zu westlich dominant, in seiner Art zu aggressiv.

Jede Nachricht eine demütigende Ohrfeige in das Gesicht des Emirs. Sollte doch sein gigantomanisches Projekt die kulturelle, moralische und wirtschaftliche Überlegenheit der arabischen Welt gegenüber dem schulmeisterischen Westen symbolisieren und ganz nebenbei Weltoffenheit demonstrieren.

Eine schwächelnde Weltwirtschaft, die geplatzte Immobilienblase 2008 in Dubai, die Finanzkrise im Folgejahr und die damit verbundenen Transferleistungen in die anderen sechs Emirate hatte der erfolgsverwöhnte Ölscheich allerdings nicht auf dem Plan seiner 27-Milliarden-Dollar-Investition.

Nach der Arbeit, ab nach Hause

Also schuften Tausende unterbezahlte Pakistaner, Philippiner, Inder und Bangladescher derweil vorerst nur am Wüsten-Louvre. Seine Fertigstellung ist durch einen Staatsvertrag mit Frankreich garantiert. Die Gastarbeiter bilden die unterste Stufe der hierarchischen Gesellschaft. Binnen zwei Wochen nach Beendigung ihres Arbeitsvertrages müssen sie die Emirate verlassen haben. Nur die wenigsten werden also den realen Kulturbetrieb auf der Insel je mit eigenen Augen zu sehen bekommen.

Dies gilt wohl auch für die Kunstwerke der Preview-Ausstellung im Kulturzentrum Manarat al-Saadyat, die bereits Stücke der künftigen permanenten Sammlung des neuen Louvre zeigt. Darunter so hochkarätige Werke wie „Das Porträt einer Frau“ von Pablo Picasso aus dem Jahre 1928, das nie zuvor ausgestellt wurde.

Und da all die Besucher in spe auch adäquat wohnen und anreisen können, werden bereits jetzt die ersten - vergleichsweise preiswerten - Luxusherbergen und Prachtboulevards in den Inselsand zementiert. Wie das Park Hyatt, dass im November gleich den „Best Luxury Hotel Award“ einsacken konnte.

5-Sterne-Haus in der Wüste

Andere Marken wie das singapurische Shangri-La folgen mit ihrer zweiten Nobelherberge im Emirat. Wer es etwas bescheidener mag, kann im Eastern Mangroves Hotel oder außerhalb der Stadt im stilvollen Qasr Al Sarab in der Rub al-Khali, der größten Sandwüste der Welt, unterkommen. Beide 5-Sterne-Häuser werden von der thailändischen Anantara-Gruppe gemanagt.

Oder der Besucher logiert doch gleich im Emirates Palace, einem 3,5-Milliarden-Dollar-Prunkbau aus Gold und Marmor, der einst als privates Domizil für den 2004 verstorbenen Gründervater der Vereinigten Emirate, Zaajed bin Sultan Al Nahyan, gebaut, jedoch nie vom ihm bezogen wurde. Seitdem betreibt Kempinski das Haus. Aber egal wo man absteigt, die Herrscherfamilie verdient immer tüchtig mit. Ihr gehören alle Hotels.

Genau wie auch Etihad Airways, die 2003 durchgestartet ist, seit 2012 schwarze Zahlen einfliegt und sich mit erstklassigem Service und einer Reihe von Auszeichnungen als Premium-Fluggesellschaft einen Namen machen konnte. Ansonsten fällt die Scheich-Airline eher durch eine aggressive Expansionspolitik auf, geht in Europa und Asien auf Einkaufstour. Bei der angeschlagenen Air Berlin ist sie seit Dezember 2011 mit satten 29 Prozent an Bord. Danach folgten Beteiligungen an der indischen Jet Airways, der serbischen Jat Airways, der irischen Air Lingus, an Air Seychelles und als Türöffner auf den Fünften Kontinent eine strategische Partnerschaft mit Virgin Australia sowie diverse Codeshare-Abkommen.

Internationales Drehkreuz

Die strategische Zielsetzung ist klar: Sich fit machen für die Zeit nach dem Öl, Abu Dhabi als internationales Drehkreuz etablieren und mehr Luftverkehrsströme zwischen Europa und Asien beziehungsweise Australien über das kleine Emirat lenken, den klammen europäischen Linien und dem großen Bruder Dubai mit seiner Emirates Airlines kräftig Passagiere abjagen. Dabei will man ganz nebenbei gutbetuchte Urlauber und Geschäftsreisende in die Luxusherbergen locken. Louvre und Co. sollen dabei helfen.

„Auf jeden Fall wird die Expo 2020 einen signifikanten Einfluss auf die Tourismusindustrie der Vereinigten Arabischen Emiraten haben und eine einzigartige Plattform bieten, um die beeindruckende Erfolgsgeschichte der jungen Nation zu erzählen“, so das Department of Tourism and Commerce Marketing (DTCM) in Dubai.

Ob man am Persischen Golf nicht doch insgesamt ein paar Nummern zu groß geplant hat, wird sich zeigen. Den Budget-Travellern kann es egal sein. Sie reisen ohnehin auf dem Transitweg weiter.

8 Feb 2014

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