taz.de -- Klimawandel und Krankheitserreger: Katzenparasiten in der Arktis

Durch die Erderwärmung schmelzen Eisbarrieren weg. Dadruch können sich alte Krankheiten nun offenbar in neuen Regionen ausbreiten.
Bild: Eisberg im Ilulissat-Fjord auf Grönland.

STOCKHOLM taz | Er heißt „Toxoplasma gondii“, ist ein dem Malaria-Erreger nahe verwandter Parasit, der vor allem von Katzen herumgetragen wird und der bei Menschen Toxoplasmose hervorrufen kann. Nun haben Forscher der kanadischen University of British Columbia ihn erstmals bei in der Arktis lebenden Tieren entdeckt – nämlich bei in der Westarktis heimischen Weißwalen. Eine Entdeckung, die eine unmittelbare Warnung an die Inuit-Bevölkerung nach sich zog, was deren künftigen Verzehr von Wal- und Robbenfleisch angeht.

Es fehle zwar noch der endgültige Beweis, meint Michael Grigg, Molekularparasitologe beim zum US-Gesundheitsministerium gehörenden „National Institutes of Health“, doch gebe es viele Indikationen, dass das umfassende Tauen des Eises und die fortschreitende Erwärmung der Arktis für die Ausbreitung des „Katzenparasiten“ verantwortlich seien.

Verschwinde mit dem Eis „eine wichtige Barriere für Krankheitserreger“, würden diese „Zugang zu anfälligen neuen Wirten erhalten und können dort verheerenden Schaden anrichten“, erklärte Grigg auf der jährlich stattfindenden Wissenschaftskonferenz AAAS, die am Montag in Chicago zu Ende geht. Der Forscher betonte, dass man „sehr überrascht“ gewesen sei, den Parasiten in seiner ansteckenden Form so weit im Norden gefunden zu haben.

Nun geht zwar von der mit grippeähnlichen Symptomen verbundenen Toxoplasmose bei den meisten Menschen normalerweise keine größere gesundheitliche Gefährdung aus. Man schätzt, dass beispielsweise in Europa die Hälfte der Bevölkerung Träger des Toxoplasmoseerregers ist und damit Antikörper entwickelt hat. Doch in der Risikozone liegen Schwangere wegen möglicher Gefährdung des Fötus in der frühen Schwangerschaftsphase und Personen mit herabgesetzter Immunabwehr. Kaum Abwehr haben in den Polarregionen lebende Völker wie die Inuit entwickelt. Zusätzliches Risikomoment: Wal- und Robbenfleisch wird dort oft roh oder ungenügend erhitzt verzehrt.

Weil das Abschmelzen der Eisbarriere natürlich in der Gegenrichtung ebenfalls den Weg für Tiere und Krankheitserreger frei macht, gibt es mittlerweile auch das erste Beispiel eines in der Vergangenheit nur in der Arktis heimischen Parasiten, der sich nun immer weiter nach Süden ausbreitet.

Er heißt „Sarcocystis pinnipedi“ und hat im Nordatlantik bereits den Tod Hunderter Kegelrobben sowie vor der kanadischen Pazifikküste den von Seelöwen und Walrossen verursacht.

16 Feb 2014

AUTOREN

Reinhard Wolff

TAGS

Erderwärmung
Krankheit
Malaria
Schwerpunkt Klimawandel
Meeresschutz
Nordsee
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Kanada
Schwerpunkt Klimawandel
Mittelmeer

ARTIKEL ZUM THEMA

Patienten bekamen Malaria gespritzt: Versehen oder Missbrauch?

Bei der Erforschung eines Syphilis-Heilmittels sollen Forscher Versuchspersonen den Malaria verursachenden Parasiten injiziert haben. Darunter auch Kindern.

Tropenarzt über Malaria und Klimawandel: „Die Malaria hat also leichteres Spiel“

Vermutet wird es schon länger, dass sich die Malaria infolge des Klimawandels ins Hochland ausbreitet, sagt der Tropenmediziner Frank Mockenhaupt von der Charité.

Folgen des Klimawandels: Todesstoß für Barrier-Riff

Einem der bekanntesten Naturwunder der Welt droht das Aus. Das australische Öko-Paradies hat die Hälfte seiner Korallen verloren.

Nordseefisch und Erderwärmung: Klimawandel lässt Scholle schrumpfen

Warmes Wasser kann weniger Sauerstoff aufnehmen, deshalb brauchen Fische mehr Energie zum Wachsen. Die Folgen für Nordseelebewesen sind erheblich.

Lobbyarbeit der US-Klimaskeptiker: Viel Geld für die Erderwärmung

Die Klimaskeptiker in den USA werden aus geheimen Quellen finanziert, zeigt eine neue Studie. Die Herkunft der Mittel werde systematisch verschleiert.

Europaparlament für CO2-Verpressung: Das Kartell der Klimaretter

Das Europaparlament ist sich sicher: Um den weltweiten Temparaturanstieg unter zwei Grad zu halten, muss Kohlendioxid in die Erde gepumpt werden.

Rohstoffe in Kanada: Die neue Straße in die Arktis

Mit dem Bau der ersten Verbindung ans Eismeer treibt Kanada den Abbau von Rohstoffen im Nordpolargebiet voran. Auch Einwohner profitieren.

Klimaschutzpläne der großen Koalition: Sommer, Sonne, Grönland

CDU und SPD warnen vor der Erderwärmung und haben große Klimaschutzpläne. Aber mit den von ihnen ergriffenen Maßnahmen wird das nichts.

Klimawandel trifft Mittelmeerraum: Überschwemmung und Verwüstung

Forscher warnen vor dramatischem Wassermangel rund ums Mittelmeer. Südeuropa droht Trockenheit, dem Gazastreifen Wüstenbildung.