taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Von Vollopfern und Power Rangers
Feministinnen als heulende Objekte und die DDR als gleichstellungstechnisches Glücksbärchiland – ein Kommentar zum „Barbie-Feminismus“.
Wenn eine Frau in einem Text sinngemäß schreibt: „Euer Feminismus ist doof, und ich bin cooler als ihr“, so wie Mirna Funk neulich im Freitag, dann wäre es nicht schön, nur zu antworten: „Möh, stimmt gar nicht, selber doof.“ Auch wenn die Versuchung groß ist.
Mirna Funk also. Sie hat die Titelgeschichte im letzten Freitag geschrieben: [1][„Die Barbie-Feministinnen“]. Ihr Urteil: „Alles, was aktuell unter dem Deckmantel einer Feminismusdebatte erörtert wird, ist für mich unemanzipiertes Geplänkel.“
Viele westdeutsche Frauen halten sich, so Funk, für „Vorzeigefeministinnen“, sind aber in Wirklichkeit weinerlich und von Männern abhängig: „Außen Feministin, innen Barbie.“ Mirna Funk dagegen kommt aus einem Land, „in dem die Gleichstellung von Mann und Frau ernsthaft gelebt wurde“: aus der DDR.
Nun muss man der armen Ossifrau vielleicht mal sagen, dass Barbie gar kein so verheultes Opfer ist. Barbie, mit vollem Namen Barbara Millicent Roberts, [2][arbeitet] als Chirurgin, Feuerwehrfrau, Pilotin und Friseurin, ist bei den Olympischen Spielen und der US-Präsidentschaftswahl angetreten, unterrichtet Spanisch und Gebärdensprache und hat es geschafft, über 50 Jahre alt zu werden, ohne anatomisch zum Atmen oder Aufrechtstehen fähig zu sein. Geile Sau eigentlich.
Alles eine Frage der Lässigkeit?
Aber zurück zum Feminismus. Funk schreibt, sie habe „ein tiefes Unwohlsein“ angesichts der „aktuellen Debatten, die sich mit Kindererziehung oder Sexismus beschäftigen“. Es gehe da um Fragen, die in ihrer Welt – Glücksbärchiland? – „längst beantwortet und ausgehandelt sind“.
Das ganze [3][#Aufschrei]-Ding zum Beispiel: Ein einziges „Spektakel“! „Ich hätte Herrn Brüderle eine Äußerung zu meinen Brüsten durchaus zugestanden. Ich hätte ihm liebevoll über sein lichtes Haupthaar gestreichelt und freundlich gesagt: ’So wird das doch nichts, Schnuppi!‘ “
Lässig, so lässig. Aber Emanzipation ist kein Wettbewerb, und schon gar keiner, den man gewinnt, indem man andere abwertet.
Das Problem der „Barbie-Feministinnen“ sieht Funk darin, dass sie sich zum Objekt statt zum Subjekt machen: Sie geben dem Mann die Schuld, wo sie doch selber was falsch gemacht haben. Und sie leugnen ihre Sexualität. Funk dagegen [4][fährt einen alten Porsche], den sie ganz allein bezahlt hat.
Die Idee, dass Feministinnen nur rumheulen, keinen Sex haben, passiv und dämlich sind, ist nicht neu. Sie gründet unter anderem in dem schlichten Fehlschluss, dass Menschen, die Probleme anprangern, sich ausschließlich als Opfer sehen.
„Ein Subjekt weiß um die Komplexität des eigenen Seins“, schreibt Funk. Genau. Ein cooles Subjekt weiß allerdings auch um die Komplexität der Anderen. Niemand ist entweder nur Vollopfer oder nur Power Ranger. Alle sind irgendwo dazwischen. Sogar Wessis und FeministInnen.
Und zu Mirna Funks Idee, dass heutige Feministinnen so sein wollen wie Alice Schwarzer, ja, dass auch nur eine einzige in ihre Fußstapfen treten will … (Anm. d. Red.: Hier bricht der Text ab, da die Kolumnistin vor Lachen vom Stuhl gefallen ist.)
20 Feb 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
„Warum hat jeder Hanswurst eine Meinung zu Israel?“, fragt sich Mirna Funk. Ihr Roman handelt unter anderem von der Nahost-Obsession.
Während bei der Polizei Frauen mittlerweile zum täglichen Erscheinungsbild gehören, ist die Bremer Feuerwehr nach wie vor ein Männerclub. Warum?
Nein heißt Nein, aber ein Nein reicht in Deutschland nicht aus. Die meisten Vergewaltigungen bleiben straffrei.
Bei der Vorstellung seines Interviewbuches versucht FDP-Mann Rainer Brüderle, sein lädiertes Image zu flicken. Das gelingt ihm nur bedingt.
Die Frauenquote ist ein schwieriges Thema. Plötzlich sind überall Schuhe. Dabei wär es so schön ohne Quote. Oder gleich ganz ohne Frauen, Mädchen und Migranten.
Wo Aufmerksamkeit knapp ist und Angst überall, kann man sich ruhig mal zum Arsch machen. Gerne auch mit Tradition und Eiern.
Alle sagen, dass man doch bitte über Sexualität sprechen soll. Ich sage: Einfach mal die Klappe halten führt zu besseren Ergebnissen.
Die taz hat die Postkarte mit Hans Magnus Enzensbergers 11. Internet-Regel abgefangen. Es geht um Online-Dating und den Gipfel der modernen Hurerei.
Wenn Schwangere unschwanger aussehen wollen und Unschwangere schwanger wirken: Torte essen, singen, tanzen.
Die Union will nicht, dass es die „Pille danach“ rezeptfrei in Apotheken gibt. Sie bringt – Überraschung – dumme Argumente.
Eine Frau, die glaubt, ein unglücklicher Einzelfall zu sein, wird keine Revolte starten. Vor einem Jahr hat #aufschrei gezeigt, wie Kollektive entstehen können.
Jugendliche ekeln sich im Kino vor ihnen, Norbert Blüm pöbelt gegen sie und „Die Zeit“ vergisst sie einfach: Gewöhnt Euch endlich an Lesben.
„Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir gilt als Klassiker des Feminismus. Heute wird immer nur ein Satz zitiert – und das auch noch falsch.
Ein Brief an den Weihnachtsmann, der sich dieses Jahr mal Mühe geben soll. Bitte. Ich bringe auch Unterhosen, Schnaps und eine Motorsäge mit.