taz.de -- Islamisten in Syrien: Heilige Kämpfer aus Deutschland

Deutsche Islamisten beteiligen sich an den Kämpfen in Syrien. Einige sind inzwischen auch zurückgekehrt. Sie sind nun kampferprobt.
Bild: Vorbild und Ziel auch deutscher Ausreisender: islamistischer Kämpfer in Syrien

BERLIN taz | Das Foto ist martialisch. Mustafa K. hält in seiner Hand einen abgetrennten Kopf, lässt ihn an den Haaren baumeln. Neben ihm liegt ein weiterer Kopf auf dem Boden, daneben eine verstümmelte Leiche. Der bärtige 24-Jährige lächelt in die Kamera.

Aufgenommen ist das Bild in Azaz, im Norden Syriens, gleich hinter der türkischen Grenze. Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass es authentisch ist. Wer die Opfer sind, ist dagegen unklar. Vor einigen Monaten lebte Mustafa K. noch in Dinslaken. Dann wanderte er nach Syrien aus, um in den Kampf gegen Baschar al-Assad zu ziehen; in den Dschihad für einen Gottesstaat. Das Foto, das ein Kampfgefährte K.s auf Facebook veröffentlichte, zeigt: Der Einstieg in den „heiligen Krieg“ ging offenbar schnell.

Mustafa K. ist damit nur noch einer unter vielen. Nach neuesten Zahlen des Verfassungsschutzes sind seit Beginn des Konflikts vor drei Jahren 300 deutsche Islamisten nach Syrien ausgewandert – weit mehr, als je nach Pakistan oder Afghanistan reisten. Syrien, heißt es aus dem Geheimdienst, sei derzeit mit Abstand der „attraktivste Dschihad-Schauplatz“.

Besonders aus NRW, Berlin, Hamburg, Hessen und Bayern machten sich Islamisten auf den Weg, viele nicht älter als 25 Jahre. „Der Strom von Dschihadisten in Richtung Syrien ist ungebrochen“, zeigt sich Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen besorgt.

Wer will, kann sofort kämpfen

Sein Problem: Er kann die Bewegung kaum stoppen. Die Einreise nach Syrien erfolgt fast immer über die Türkei. Für Flüge dorthin braucht man keinen Reisepass, den die Sicherheitsbehörden bei Gefährdern einziehen dürfen, sondern nur einen Personalausweis. Und die Grenze zu Syrien ist löchrig. Die Sicherheitsbehörden notieren einen „regen Schleuserverkehr“. Viele Islamisten schlössen sich auch Hilfskonvois an. Immer stärker, klagt Maaßen, würden sich „dschihadistischer Kampf mit humanitärer Unterstützung vermischen“.

Wer nach Syrien gelangt, kann fast sofort am Kampfgeschehen teilnehmen. Laut Verfassungsschutz tat dies gut die Hälfte der 300 Ausgewanderten. Die anderen würden sich als „Logistiker“ betätigen. Rund 20 der deutschen Kämpfer seien inzwischen bereits ums Leben gekommen.

Was die Geheimdienstler noch mehr sorgt, sind die Rückkehrer. 30 Syrien-Reisende seien inzwischen wieder in Deutschland, heißt es. Einige von ihnen seien desillusioniert, ein Dutzend aber weiter radikalisiert – und nun kampferprobt. Konkrete Anschlagspläne gebe es bisher nicht. Dennoch, so Maaßen, „wächst damit die Gefahr terroristischer Handlungen auch in Deutschland“.

Die Sicherheitsbehörden stellen die Rückkehrer nun unter genaue Beobachtung. Am Montag schlugen Ermittler auch zu: Sie verhafteten den Salafistenprediger Sven Lau aus Mönchengladbach. Der 33-Jährige soll Geld für eine humanitäre Hilfsfahrt nach Syrien gesammelt haben. Tatsächlich, glauben die Ermittler, sollte damit eine dschihadistische Gruppe unterstützt werden.

26 Feb 2014

AUTOREN

Konrad Litschko

TAGS

Hans-Georg Maaßen
Schwerpunkt Syrien
Verfassungsschutz
Islamismus
Dschihad
Salafismus
Schwerpunkt Syrien
Salafisten
Flüchtlinge
Schwerpunkt Syrien
Salafismus
Homs
Pakistan
Lakhdar Brahimi
Hamburg
Salafisten
Schwerpunkt Syrien
UN-Menschenrechtsrat

ARTIKEL ZUM THEMA

Islamisten gegen Jesiden in NRW: „Stellvertreterkonflikt“ mit Holzlatten

Der Irakkonflikt schwappt über: In NRW greifen Islamisten Jesiden an. Es kommt zu Tumulten. Ausgewanderte Islamisten versuchen den Konflikt anzuheizen.

Kommentar Verfassungsschutzbericht: Schulterschluss mit den Muslimen

Islamistischer Extremismus rückt wieder in den VS-Fokus, speziell die salafistische Szene. Eine Kriminalisierung kann keine Lösung sein.

Deutschland nimmt Flüchtlinge auf: Das Nadelöhr weitet sich etwas

Die Länderinnenminister beschließen, weitere 10.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Gerangel gibt es noch um die Asylrechtsreform.

Kämpfer aus Syrien: Razzia gegen Islamisten

Drei mutmaßliche Unterstützer einer syrischen Terrorgruppe sind festgenommen worden. Wohnungen in Berlin, Bonn und Frankfurt wurden durchsucht.

Salafismus in Hamburg: Reise in den heiligen Krieg

In einem Abschiedsbrief erklärt ein 27-jähriger Hamburger seinen Einsatz für den Gottesstaat. Der Verfassungsschutz ermittelte gegen ihn.

Doku „Homs – ein zerstörter Traum“: Erschöpft und bewaffnet

Die Doku von Talal Derki zeigt einzigartige Szenen von der Front im syrischen Krieg. Ein Film über Widerstand, Gewalt und kollektive Enttäuschung.

Islamisten in Pakistan: Anschlag auf Impfhelfer

Pakistan ist das einzige Land der Welt, mit steigender Zahl an Polioinfektionen. Bei einem Anschlag auf Impfhelfer sterben nun mehrere Mitglieder der Polizeieskorte.

Debatte Nahost: Die Welt der Politprofis

Kommt endlich Bewegung in die Verhandlungen um Syrien, weil der Machtwechsel in Kiew die russische Regierung schwächt?

Islamismus an Hamburger Schulen: Muslime machen Druck an Schulen

Ein interner Bericht der Schulbehörde belegt: An einigen Hamburger Schulen gibt es ein Problem mit muslimischen Fundamentalisten.

Debatte islamische Gruppen in Syrien: Assad und die Islamisten

Wer vor der islamistischen Gefahr warnt, sollte die wichtigsten aktiven Gruppen voneinander unterscheiden können. Ein Überblick.

Islam in Berlin: Angst vor Radikalisierung

Etwa 30 Berliner Jugendliche sollen zum Kämpfen nach Syrien gegangen sein. Prävention und Hilfe für die Familien gebe es kaum, sagen Kritiker.

Berichte über Gräuel in Syrien: Assad foltert, seine Gegner auch

Seit Jahren lässt das Assad-Regime Oppositionelle verschwinden. Auch Al-Qaida-nahe Islamisten betreiben Geheimkerker, in denen sie Menschen quälen.