taz.de -- Kommentar Krim-Besetzung: Eine Erbschaft des Kalten Krieges
Im Krim-Konflikt gelten alte Interessenslagen: Russland versucht zu retten, was es kann. Und der Westen versucht die Reste des Gegners zu assimilieren.
Zuweilen treiben Ausbrüche des Volkszorns oder listige Schachzüge kleinerer Mitspieler die großen politischen Mächte vor sich her. Auch wenn diese ihn nicht wollen, kann ein Krieg ausbrechen, sobald seine künftigen Opfer ihn herbeisehnen.
Geopolitisch ähnelt die Konstellation der des Kalten Krieges, als die Sowjetunion eine Großmacht war und territorial noch weitgehend dem russischen Imperium vor 1914 entsprach. Auch wenn sich die internationalen Beziehungen nach deren Untergang verfreundlichten, blieben die Interessen wirksam: Russland versucht zu retten, was es kann. Dem Westen geht es darum, weitere Reste des Gegners zu assimilieren – natürlich friedlich.
Die Eroberung der Krim und die Gründung Sewastopols hatten im 18. Jahrhundert die russische Expansion am Schwarzen Meer ermöglicht und das Osmanische Reich geschwächt. Dagegen kämpfte dieses gemeinsam mit den damaligen Westmächten im Krimkrieg von 1853 bis 1856. Russland wurde gebremst, behielt aber die Halbinsel. Heute hätte die russische Schwarzmeerflotte ohne die Krim nur noch Schrottwert.
2008 war es dem georgischen Präsidenten Saakaschwili nicht gelungen, den Roki-Tunnel und damit den militärischen Zugang nach Transkaukasien zu versperren. Würde sich Russland jetzt von der Krim zurückziehen, könnte sich die Nato von einigen bisherigen Rücksichten verabschieden. Endlich würden die Ukraine und Georgien Vollmitglieder werden. Von einer US-Marinebasis in Sewastopol redet niemand öffentlich, aber das Ziel ist alles andere als abwegig.
Bei einer friedlichen Lösung, die eine russische Niederlage darstellt, wäre Putin als Verräter gebrandmarkt. Ein Frieden ohne russische Niederlage würde Empörung über die Feigheit des Westens auslösen. Große Spielräume gibt es nicht mehr.
2 Mar 2014
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