taz.de -- Konflikt zwischen Ukraine und Russland: Eine Milliarde Dollar aus Washington

Die USA wollen der wirtschaftlich maroden Ukraine die Energieversorgung sichern. Auch die EU sagt Hilfe zu. Putin schließt einen russischen Militäreinsatz vorerst aus.
Bild: US-Außenminister John Kerry ist schon in Kiew angekommen, die Hilfskredite sollen schnell folgen.

KIEW/BRÜSSEL/MOSKAU/BERLIN dpa/ap/rtr | Die USA wollen der Ukraine eine Milliarde Dollar Hilfe für die Energieversorgung bereitstellen. Das Hilfspaket sehe zudem ein Ausbildungsprogramm für Mitarbeiter der Zentralbank, des Finanzministeriums und für Wahlbeobachter vor, hieß es aus Regierungskreisen in Washington. US-Außenminister John Kerry traf in Kiew zu Gesprächen mit der Übergangsregierung ein, um der neuen Führung die Unterstützung der USA zu signalisieren.

Russland hatte zuvor angekündigt, die Gaspreise ab 1. April anzuheben. Bisher gewährte Rabatte würden aufgegeben, teilte der staatlich kontrollierte Konzern Gazprom mit. Dessen Chef Alexej Miller sagte im Fernsehen, er habe sich mit dem russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew abgesprochen.

Gazprom hatte mit diesem Schritt bereits am Wochenende gedroht. Denn die Ukraine sei mit umgerechnet knapp 1,2 Milliarden Euro für bereits geliefertes Gas im Rückstand. Damit sei der von Russland gewährte Rabatt in Gefahr, hatte es geheißen.

Auch die EU will die finanziell angeschlagene Ukraine mit einem Hilfspaket unterstützen. Die EU-Kommissare werden bei ihrer regulären Sitzung am Mittwoch über Unterstützung beraten und voraussichtlich „ein solches Paket beschließen“, kündigte eine Kommissionssprecherin am Dienstag in Brüssel an. Eine Summe nannte sie nicht.

Offenbar ist Brüssel bereit, seine Finanzhilfe aufzustocken. Die EU hatte der Ukraine bereits im vergangenen Jahr rund 600 Millionen Euro angeboten und dies an strenge Bedingungen geknüpft, etwa dass Kiew einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) annimmt. Dieses Angebot könnte nach Medienberichten auf bis zu eine Milliarde erhöht werden, um einen Staatsbankrott der Ukraine abzuwenden.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte bereits am Montag der Ukraine Hilfe und Unterstützung durch die Europäische Union zugesagt. „Es gibt eine europäische Perspektive für die Ukraine in der Zukunft“, sagte Barroso auf einer Konferenz in Berlin. „Das Minimum, was wir für die Ukraine tun können, ist ihre Souveränität zu unterstützen.“

Die Ukraine steht wirtschaftlich unter enormem Druck. Die neue Regierung hatte beklagt, sie benötige dringend Unterstützung in Milliardenhöhe, sonst drohe der Staatsbankrott.

Steinmeier warnt vor Gefahr eines weiteren Blutvergießens

In dem Konflikt zwischen Russland und Ukraine um die Halbinsel Krim setzt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) weiter Hoffnungen auf eine politische Lösung mit Hilfe einer internationalen Kontaktgruppe. Zugleich warnte er am Dienstag vor der Gefahr eines weiteren Blutvergießens. Bei der Suche nach einer friedlichen Beilegung des Konflikts gelte es, „alle Chancen dafür zu nutzen, auch unter großem Zeitdruck“, sagte der Minister in Bern nach einer Unterredung mit dem Vorsitzenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE), dem Schweizer Außenminister und Regierungschef Didier Burkhalter.

Fast zeitgleich hatte sich der russische Präsident Wladimir Putin offen gezeigt für den deutschen Vorschlag einer Kontaktgruppe im Ukraine-Konflikt. „Im Prinzip ist das möglich“, sagte Putin vor Journalisten in Moskau.

Nach einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Montagabend in Genf hatte sich Steinmeier zunächst noch pessimistisch geäußert. „Wir sind nicht nahe genug an einer Lösung“, sagte er. Es gebe es noch keine ausreichenden Signale zur Bildung einer solchen Kontaktgruppe, in der Russland und die Ukraine miteinander sprechen und verhandeln könnten, erklärte Steinmeier am Dienstagmorgen nach einem Frühstück mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Der Minister warnte vor der Gefahr einer weiteren Eskalation. Die Stimmung sei hochnervös. „Das macht das Risiko umso größer, dass in dieser Situation jemand die Nerven verliert und aus dem politischen Konflikt auch neues Blutvergießen folgt.“ Die Begegnung mit Lawrow bezeichnete der SPD-Politiker als „schwieriges, langes, ernstes Gespräch“. Der russischen Seite sei der Ernst der Lage aber bewusst.

Steinmeier plädierte dafür, die Zeit bis zum EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag in Brüssel für weitere Gespräche zur Bildung einer Kontaktgruppe zu nutzen. Andernfalls werde bei dem Gipfel die Diskussion über Sanktionen gegen Russland vermutlich „so verlaufen, dass dann auch Maßnahmen beschlossen werden“. Möglichkeiten für Fortschritte bei der Bildung einer Ukraine-Kontaktgruppe sehen Diplomaten in der für Mittwoch geplanten Außenministerkonferenz in Paris. Dazu werden auch die Chefdiplomaten der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, erwartet.

Putin: Machtwechsel in der Ukraine ist illegitim

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt vor Journalisten seit Janukowitschs Flucht aus Kiew äußerte Russlands Präsident Wladimir Putin, er sehe keine Notwendigkeit für einen Militäreinsatz in der Ukraine. Die Regierung in Kiew wirft Russland allerdings vor, in den vergangenen Tagen tausende Soldaten auf die Krim geschickt zu haben. Uniformierte haben die Kontrolle über die zur Ukraine gehörende Schwarzmeer-Halbinsel übernommen. Putin sagte dazu ohne Erläuterung, es seien „Selbstverteidigungskräfte“.

Putin schloss einen Militäreinsatz für die Zukunft aber nicht aus. „Aber es gibt diese Möglichkeit“, ergänzte Putin in seiner Residenz in Nowo-Ogarjowo. Der Präsident hatte sich angesichts der gespannten Lage in der Ex-Sowjetrepublik vom Föderationsrat die Erlaubnis geben lassen, zum Schutz der russischen Minderheit in der Ukraine einzumarschieren. Sollte es im Osten des Landes zu Unruhen kommen, werde Russland gegebenenfalls einschreiten, betonte er. „Wenn wir sehen, dass diese Willkür in den östlichen Regionen beginnt, wenn die Menschen uns um Hilfe bitten werden, behalten wir uns das Recht vor, alle Mittel zum Schutz der Bürger zu verwenden.“

Den Machtwechsel in der Ukraine bezeichnete Putin als bewaffneten Umsturz und verfassungswidrigen Putsch. Nur das ukrainische Parlament sei legitim, nicht aber Übergangspräsident Alexander Turtschinow, sagte Putin am Dienstag. Die ukrainische Bevölkerung habe zwar einen Wandel gewünscht. Ein „illegaler Wandel“ könne jedoch nicht ermutigt werden, so Putin. Legitimes Staatsoberhaupt der Ukraine sei nach wie vor der nach Russland geflohene Präsident Viktor Janukowitsch.

Martin Schulz: Die OSZE muss helfen

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) dringt in der Ukraine-Krise auf Gespräche aller Akteure und bringt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine zentrale Vermittlerrolle ins Gespräch. Vor allem die OSZE müsse helfen, sagte er Bild.de. am Dienstag. „Russland ist Mitglied der OSZE und hat die Charta unterschrieben, wie auch die Ukraine“, erklärte Schulz.

Der SPD-Politiker appellierte an Putin: „Wenn er Probleme hat, dann muss er darüber reden. Die Sprache der Gewalt ist nicht die Sprache des 21. Jahrhunderts.“ Schulz forderte zugleich Merkel auf, eine führende Vermittlerrolle in der Krise um die Halbinsel Krim zu übernehmen. "Angela Merkel zählt zu den einflussreichsten Politikern der Welt. Es wäre gut, wenn sie eine zentrale Rolle bei der Konfliktlösung übernimmt", sagte Schulz.

4 Mar 2014

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