taz.de -- Kommentar Freihandelsabkommen TTIP: Wie wollen wir leben?
Die Freunde des Freihandelsabkommens ducken sich weg, vor allem Angela Merkel. Doch im Europa-Wahlkampf muss es prominent auf den Tisch.
Wo sind eigentlich die Freunde des Freihandels geblieben? Je näher die Europawahl rückt, desto weniger ist von ihnen zu hören. Dabei wird es langsam eng für die Befürworter des umstrittenen Transatlantischen Handelsabkommens (TTIP). [1][Der Widerstand wächst], der DGB und das SPD-geführte Bundesumweltministerium gehen auf Distanz. Aus Bayern werden neuerdings sogar Rufe nach einer europaweiten Volksabstimmung laut.
Die Rufe dürften noch lauter werden, wenn der Öffentlichkeit bewusst wird, was da verhandelt wird. Die vertraulichen Leitlinien des EU-Ministerrates für die Verhandlungen mit den USA, die jetzt von den Grünen im Europaparlament publik gemacht wurden, bestätigen nämlich manch bösen Verdacht der TTIP-Kritiker. Die Kultur wird doch nicht wie versprochen aus dem Vertragswerk ausgenommen, auch öffentliche Dienstleistungen (etwa imBereich Wasser, Gesundheit oder Bahn) können weiter unter massiven Privatisierungsdruck geraten.
Doch Kanzlerin Merkel, die das Abkommen gemeinsam mit Kommissionschef Barroso ausgeheckt und trotz des NSA-Spionageskandals durchgedrückt hat, duckt sich weg. Dabei gehört sie zu den unbedingten Fans des Freihandels, schließlich geht es ja um die deutsche Exportwirtschaft. Trotz des laut vernehmlichen Grummelns bei ihren Koalitionspartnern SPD und CSU schweigt die Kanzlerin. Sie gibt den Schwarzen Peter lieber an die EU weiter und tut so, als habe sie damit nichts zu tun.
In Brüssel wächst deshalb der Ärger. Vor der jetzt beginnenden Verhandlungsrunde steht die EU-Kommission mit dem Rücken zur Wand. Den wohl wichtigsten Aspekt des TTIP-Abkommens – die geplanten Schutzregeln für Konzerne bei Investitionen – hat die Kommission schon auf Eis gelegt.
Selbst einige EU-Länder ziehen nicht mehr mit. Brüssel will nun erst mal eine Denkpause einlegen und konsultieren. Doch das reicht nicht. Nach allem, was jetzt über die Verhandlungsinhalte bekannt ist, kann es kein business as usual mehr geben. Alle Karten müssen auf den Tisch, auch die deutschen. Berlin darf sich nicht länger hinter Brüssel verstecken.
TTIP muss zu einem großen, vielleicht sogar dem zentralen Thema im Europawahlkampf werden. Schließlich geht es dabei um die Frage, wie wir in Zukunft leben und arbeiten wollen.
9 Mar 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Zum Freihandelsabkommen mit den USA startet die EU „Konsultationen“. Sigmar Gabriel geht nun doch auf Distanz und Attac plant Proteste.
Gegner des EU-US-Freihandelsabkommens werden von über 50.000 Unterzeichnern unterstützt. Sie dürfen ihr Anliegen dem Bundestag vortragen.
Die Verhandlungen über Investorenschutz bei TTIP sind auf Eis gelegt worden. Nun soll die Öffentlichkeit diskutieren. Das genügt nicht allen.
Mittelstand und Gewerkschaften kritisieren das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen. Nur die Amerikaner jubeln.
Die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada sind weit fortgeschritten. Sie lassen für das Abkommen mit den USA nichts Gutes ahnen, fürchten Grüne.
Die größten Bedenken gegen die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA kommen vom EU-Parlament, sagt Handelsexperte Peter Fuchs. Aber nützt das?
Das TTIP-Abkommen bedroht Verbraucher- und Umweltstandards, fürchten Experten der Bundesregierung. In Brüssel stört das niemanden.
Die Kritiker mobilisieren gegen das Freihandelsabkommen mit den USA – und beschwören falsche Gefahren herauf. Lobbyisten können sich freuen.
Der Weg zu einem Abkommen zwischen den USA und der EU wird immer steiniger. Bei den Verhandlungen gibt es mehr Streit als Fortschritte.
Der transatlantische Handel soll zugunsten multinationaler Konzerne dereguliert werden. Chlorhühner und Hormonfleisch wären dann in der EU legal.
Beim Europaparteitag haben die Grünen ihre Position zu den Freihandelsgeprächen zwischen EU und USA festgezurrt. Sie wollen ein neues Verhandlungsmandat.