taz.de -- Führungswechsel in Hamburg: Apparatschik neuer Polizeipräsident
Der Leiter der Polizeiakademie, Ralf Meyer, löst Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch ab. Auch Verfassungsschutzchef Manfred Murck geht in den Ruhestand.
Innensenator Michael Neumann (SPD) tauscht die Spitzen der Sicherheitsbehörden aus. Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch wird Ende April in den Altersruhestand versetzt. Ursprünglich hätte der 65-Jährige seinen Posten erst nach Ende der Legislaturperiode altersbedingt räumen sollen. Sein Nachfolger wird Ralf Meyer, längjähriger Pressesprecher der Hamburger Polizei. Das wird Neumann der Deputation der Innenbehörde vorschlagen.
Weniger spektakulär ist der Führungswechsel beim Landesamt für Verfassungsschutz: Nachfolger des Ende Juli altersbedingt ausscheidenden Landeschefs Manfred Murck wird sein derzeitiger Stellvertreter Torsten Voß. Voß gilt als enger Vertrauter Neumanns und war nach dem Regierungswechsel 2011 sein Büroleiter in der Innenbehörde, bevor er Vize-Chef des Inlandsgeheimdienstes in Hamburg wurde.
Neumann hatte Kopitzsch Anfang 2012 zum Polizeipräsidenten ernannt, nachdem er Polizeichef Werner Jantosch in den vorzeitigen Ruhestand versetzt hatte. Dabei war der als liberal geltende Kopitzsch nicht Neumanns Wunschkandidat. Bürgermeister Olaf Scholz hatte ihm jedoch den ehemaligen Leiter der Landespolizeischule und späteren Leiter des Bezirksamts Nord aufgedrängt – „um zukunftsweisende Strukturveränderungen auf den Weg zu bringen und erfolgreich durchzusetzen“, wie es Neumann am Freitag formulierte.
Es sei Kopitzschs Verdienst, dass die Polizei heute schlankere Strukturen habe, sodass mehr Polizeibeamte auf der Straße eingesetzt werden könnten, sagte Neumann. Dass Kopitzsch die von seinem Vorgänger Jantosch vergrößerten Führungsstäbe verschlankte und mehr als 100 Beamte wieder in die Kommissariate schickte, machte ihm in der Polizeiführung keine Freunde.
Unbeliebt hatte Kopitzsch sich bei den Polizei-Oberen schon in den 1980er-Jahren gemacht – mit seiner wissenschaftlichen Aufarbeitung der Rolle der Polizei im Nationalsozialismus und der Rolle des Hamburger Reservebataillons 101, das im Zweiten Weltkrieg zwischen 1942 und 1944 im Gebiet Lublin mindestens 38.000 Juden erschoss und 45.200 deportierte.
Kein Geheimnis ist, dass zwischen Neumann und Kopitzsch die Chemie oft nicht stimmte, gerade wenn es operative Entscheidungen der Polizeiführung betraf, die Neumann nachträglich absegnete. Heftigen Dissens hatte es im Oktober vorigen Jahres über die massiven Polizeikontrollen von Schwarzafrikanern in St. Pauli und St. Georg gegeben, mit denen Mitglieder der Flüchtlingsgruppe „Lampedusa in Hamburg“ aufgespürt werden sollten, um sie dann zu registrieren und schließlich abzuschieben.
Als Polizei-Gesamteinsatzleiter Peter Born nach den Ausschreitungen bei der Demonstration für die Rote Flora im Dezember und den Sachbeschädigungen an den Polizeirevieren Lerchenstraße und Davidwache weiträumige „Gefahrengebiete“ mit Sonderbefugnissen für die Polizei einrichten wollte, wurde Kopitzsch gar nicht erst gefragt: Als Kopitzsch sich zwei Tage im Urlaub befand, entschied sein Stellvertreter Reinhard Fallak im Alleingang über die Ausrufung des Ausnahmezustandes für St. Pauli und angrenzende Stadtteile, die Neumann dann anschießend billigend zur Kenntnis nahm.
Nach dem Seiteneinsteiger Kopitzsch nimmt mit Ralf Meyer nun wieder ein Mann aus dem Inneren des Polizeiapparats Platz auf dem Sessel des Polizeipräsidenten. „Ralf Meyer kennt die Hamburger Polizei in all ihren Facetten“, lobt Innensenator Michael Neumann seinen Personalvorschlag. „Als Leiter des Mobilen Einsatzkommandos und der Polizeiakademie weiß er genau, was Führungsverantwortung im Polizeidienst bedeutet.“
14 Mar 2014
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