taz.de -- Kommentar Generalbundesanwalt: Zupacken gegen Nazis

Der Generalbundesanwalt soll in Sachen Staatsschutz schneller ermitteln. Skepsis bleibt aber, ob er die NSU-Mordserie als solche erkannt hätte.
Bild: Bombenanschlag in der Kölner Keupstraße

Hätte die Bundesanwaltschaft (BAW) die jahrelange Mordserie an migrantischen Kleingewerblern alsbald als rechten Terror erkannt? Hätte die BAW gemerkt, dass die drei untergetauchten Thüringer Neonazis Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe das Potenzial zu einer braunen Terrorzelle haben? Hätten die Karlsruher Terror-Ermittler vielleicht sogar beide Vorgänge miteinander in Verbindung gebracht?

Im Nachhinein kann das niemand sagen, auch nicht Justizminister Heiko Maas, der nun in einem Gesetzentwurf vorschlägt, dass Generalbundesanwalt Range auch Fälle mit unklarem Staatsschutz-Bezug übernehmen kann. Ein „Anfangsverdacht für die Zuständigkeit“ soll genügen.

Es besteht sogar Grund zur Skepsis gegenüber der BAW. Als 2006 der bayerische Polizei-Profiler Alexander Horn endlich einen ausländerfeindlichen Hintergrund der Mordserie an migrantischen Kleingewerblern vermutete, schrieb ein Karlsruher Oberstaatsanwalt einen Vermerk: Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Täter aus einer rechtsextremistischen Haltung gehandelt habe, vielmehr spräche alles für einen persönlichen Rachefeldzug.

Ein Rachefeldzug gegen Türken, die man überhaupt nicht kennt? Eigentlich eine klare Beschreibung für rassistische Gewalt – doch auch bei der Karlsruher Bundesanwaltschaft gab es die weit verbreiteten Scheuklappen.

Dennoch ist von der BAW mehr Aufklärungswillen gegen rechten Terror zu erwarten als von den Landesstaatsanwaltschaften. Als Bundesbehörde muss sie keine Rücksicht auf örtliche Imageprobleme nehmen, dass etwa Touristen und Investoren wegbleiben könnten, wenn Gewalttaten zu offen als Nazigewalt identifiziert und verfolgt werden. Die BAW kann auch gegen gewalttätige Nazis zupacken, das hat sie schon oft bewiesen.

22 Apr 2014

AUTOREN

Christian Rath

TAGS

Schwerpunkt Neonazis
Beate Zschäpe
Generalbundesanwalt
Schwerpunkt Rechter Terror
Beate Zschäpe
Bundesanwaltschaft
NSA
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Generalbundesanwalt
Rechtsextremismus

ARTIKEL ZUM THEMA

Neue NSU-Ausschüsse in den Ländern: Zu viele Fragen sind noch offen

Mehrere neue Untersuchungsausschüsse sollen sich mit der NSU-Mordserie beschäftigen. Parteiübergreifend wird Aufklärung gefordert.

NSU-Prozess in München: Zschäpe meldet sich krank

Noch ist kein Verhandlungstag ausgefallen – bis jetzt. Zschäpes Ärztin attestiert Kreislaufprobleme. Doch ihre Symptome könnten auch andere Gründe haben.

Reaktion auf NSU-Mordserie: Mehr Macht für den Bundesanwalt

Nie mehr jahrelange Justiz-Kleinstaaterei wie beim NSU: Der Generalbundesanwalt soll solche Fälle schneller an sich ziehen.

Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre: Die Überwachungsaufklärer

Seit dieser Woche prüft der Bundestag, wer Deutschland ausspionierte. Zwei Jahre soll das Gremium tagen. Fragen und Antworten zum Ausschuss.

Zwischenbilanz zum NSU-Prozess: Wegdrehen und schweigen

Am Dienstag verhandelt das Oberlandesgericht München zum 100. Mal die NSU-Mordserie. Ein Jahrhundertprozess – ohne absehbares Ende.

Generalbundesanwalt über Spionage: „Wir sind nicht die NSA“

Vorratsdatenspeicherung und Bundestrojaner seien notwendig, sagt Generalbundesanwalt Harald Range. Neidisch auf die NSA ist er aber nicht.

Tötungen mit rechtsextremen Motiven: Im Osten kaum Aufklärungsinteresse

Nach den NSU-Pannen stand eine Überprüfung von Tötungsdelikten mit rechtsextremem Hintergrund an. Sachsen meldet 2, BaWü 216 Fälle.