taz.de -- Abrisspläne in Istanbul: Unruheviertel soll weichen

In Istanbul sollen Teile eines Viertels abgerissen werden, das für Proteste bekannt ist – wegen mangelnder Erdbebensicherheit. Einige sehen das anders.
Bild: Demonstration im Stadtviertel Okmeydani.

ISTANBUL afp | Die Behörden in der türkischen Metropole Istanbul wollen Teile eines Stadtviertels abreißen lassen, das für gewalttägige Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bekannt ist.

Wie die türkische Presse am Mittwoch berichtete, begründete das von Erdogans Partei AKP beherrschte Parlament des übergeordneten Stadtteils Beyoglu die Entscheidung zum Abriss von rund 5.600 Gebäuden im Viertel Okmeydani mit mangelnder Erdbebensicherheit. Gegner des Plans wollen dies vor Gericht verhindern.

In Okmeydani, einer Gegend am Rand des Istanbuler Stadtzentrums auf der europäischen Seite der 15-Millionen-Stadt, leben viele Aleviten, Mitglieder einer islamischen Religionsgemeinschaft, die sich von der sunnitischen Mehrheit unterdrückt fühlt. Zudem gilt die Gegend als Hochburg linker Gruppierungen.

In den vergangenen Wochen starben bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten in Okmeydani zwei Menschen. Das Parlament von Beyoglu erklärte Okmaydani nun mit Blick auf die Erdbebengefahr zu einer Gefahrenzone.

Ali Cetkin, Vorsitzender einer örtlichen Bürgerinitiative, sagte der Zeitung Radikal, es gehe nicht um Erdbebensicherheit, sondern darum, regierungsnahen Bauunternehmern ein Gelände zur Errichtung neuer Wohnviertel zu geben. Cetkin kündigte juristischen Widerstand an. Der Oppositionspolitiker Ertugrul Gülsever sagte der Zeitung Cumhuriyet, es gebe keine wissenschaftliche Grundlage zur Einstufung der Gegend als Gefahrenzone. Ein zunächst geplantes Projekt zur Neuordnung des Viertels war von den Bewohnern abgelehnt worden.

4 Jun 2014

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