taz.de -- Mini-Gipfel in Schweden: „Drohungen gehören nicht dazu“
Junckers Kandidatur für die Kommissionsspitze spaltet die EU. Beim Mini-Gipfel in Schweden blieb Cameron hart, Merkel mahnte einen Kompromiss an.
HATPSUND dpa | Bundeskanzlerin Angela Merkel hat europäische Regierungschefs und das Parlament der EU aufgefordert, den Kommissionspräsidenten einvernehmlich zu bestimmen und auf Drohungen zu verzichten. Ohne Großbritanniens Premierminister David Cameron direkt anzusprechen, sagte Merkel nach einem Treffen mit ihm am Dienstag in Schweden, alle anstehenden Entscheidungen müssten im europäischen Geist der Kompromisssuche getroffen werden.
„Drohungen gehören nicht dazu“, mahnte die CDU-Chefin nach einem Gespräch mit Cameron sowie den Ministerpräsidenten der Niederlande und Schwedens, Mark Rutte und Fredrik Reinfeldt auf dessen Regierungslandsitz in Harpsund. Alle vier erklärten aber, bei ihrem Treffen sei es um die politischen Inhalte der EU für die nächsten fünf Jahre und nicht um Personalentscheidungen gegangen.
Cameron soll nach der Europawahl im Kreis von Staats- und Regierungschefs mit dem Austritt seines Landes aus der Europäischen Union gedroht haben, falls der Kandidat der siegreichen Konservativen, Jean-Claude Juncker, Kommissionspräsident werden würde.
In Harpsund sagte er, die Entscheidung über den Verbleib in der EU träfen die Bürger seines Landes in einem Referendum 2017. Wenn es vorher Reformen, mehr Flexibilität und weniger Einmischung in nationale Belange gebe, wäre das hilfreich. Er betonte zugleich, dass der Europäische Rat – das sind die Staats- und Regierungschefs – einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vorschlagen.
Mehr Wettbewerb gefordert
Merkel bekräftigte ihr Votum für Juncker und betonte, dass die Staats- und Regierungschefs – wie vertraglich festgelegt – dem Parlament zwar einen Personalvorschlag machen. Aber das Parlament habe ebenfalls vertraglich vereinbart mehr Macht bekommen. „Das Parlament ist in der Situation, dass der Rat einen Vorschlag zu machen hat. Und der Rat weiß, dass er anschließend die Stimmen des Parlaments braucht. (...) Wenn wir klug sind, dann respektieren wir uns doch als unterschiedliche Institutionen.“ Beide müssten sich jetzt auch auf eine Agenda einigen, um später nicht darüber in Streit zu geraten.
Rutte sagte: „Wir werden die Personalentscheidung abhängig machen von den Inhalten.“ Alle vier plädierten für mehr Wettbewerb, den Abbau von Handelshemmnissen durch mehr Freihandel, Strukturreformen und eine Fortentwicklung des digitalen Binnenmarktes. Merkel mahnte, das Wachstum in Europa sei fragil.
Gemeinsam sprachen sich die vier Regierungschefs für verbesserte Möglichkeiten für Arbeitnehmer aus, in anderen EU-Mitgliedstaaten Geld verdienen zu können. Dies dürfe aber nicht zum Missbrauch der Sozialsystemen führen. Merkel sagte: „Wir sind für die Freizügigkeit, wollen aber alles tun, dass sie nicht missbraucht wird.“
Cameron mahnte: „Es ist wichtig, dass die EU stärker auf die Sorgen der Menschen in Europa hört.“ Camerons Konservative mussten bei der Wahl deutliche Verluste hinnehmen während die rechtspopulistische UKIP einen deutlichen Erfolg errang.
10 Jun 2014
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Im Streit um den EU-Kommissionschef üben Grüne Kritik an Merkels Vorgehen. Sie wolle das Machtgefüge zugunsten nationaler Regierungen verschieben.
Angela Merkel hat als Machtzentrum der EU alle Hände voll zu tun. Sie will Juncker als Kommissionspräsident, aber auch die Briten nicht vergraulen.
Schwedens Ministerpräsident hat in seinen Landsitz geladen und Angela Merkel, David Cameron und Mark Rutte kommen. Um über Jean-Claude Juncker zu sprechen.
Die größte Fraktion im Europaparlament hat dem Kandidaten aus Luxemburg ihre Unterstützung zugesagt. Die Wahl zum Kommissionspräsidenten ist hart umkämpft.
Ein machtpolitisches Lehrstück: Angela Merkel arbeitet daran, Jean-Claude Juncker als Chef der EU-Kommission zu verhindern.