taz.de -- Kommentar Wohnungsmarkt: Die Miete, ein Verarmungsrisiko

Steigende Mietpreise in den Großstädten lassen immer mehr Familien zusammenrücken. Viele können sich die Citylage längst nicht mehr leisten.
Bild: Es wird immer enger in der Wohnung

Fast 43 Quadratmeter Wohnfläche hat ein Bewohner oder eine Bewohnerin in Deutschland durchschnittlich zur Verfügung. Das hört sich gut an, nur ist dieser Wohnraum über die Alters- und Einkommensgruppen zunehmend ungleich verteilt.

Einerseits bleiben die betuchten Älteren nach dem Auszug der Kinder oftmals allein in ihren Wohnungen oder Eigenheimen sitzen, auch weil sie die Verbindung zur Nachbarschaft nicht aufgeben wollen. In einer alternden Gesellschaft nimmt dieser Beharrungseffekt sogar noch zu, sagen Experten.

Auf der anderen Seite aber suchen junge Paare, die nicht über viel Geld verfügen, in den Innenstädten der Ballungszentren händeringend größere und bezahlbare Wohnungen.

Der Run auf die attraktiven Innenstadtlagen mit etwas Grün hat mit der modernen Lebensform zu tun: Wenn beide Eltern arbeiten, müssen die Fahrzeiten zwischen Wohnung, Job und Kita möglichst kurz sein.

Preislich gibt es große regionale Unterschiede: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung sind in Frankfurt am Main nur 8 Prozent der großflächigeren Wohnungsangebote auch wirklich von einer durchschnittlich verdienenden Familie finanzierbar, während in Hannover 41 Prozent der angebotenen Immobilien von einer Mittelschichtfamilie bezahlt werden könnten.

Ärmere Familien in Hamburg, Frankfurt oder München geben mitunter die Hälfte ihres Einkommens allein für die Wohnkosten aus, die Mieten sind also ein Verarmungsrisiko. Kein Wunder, dass sich manche dafür entscheiden, beengter zu wohnen. Dann nutzt man die Räume eben multifunktional. So hat nicht jedes Kind einen Rückzugsraum. Was zum Problem werden kann, wenn im Hintergrund immer ein Fernseher läuft.

Die politische Lösung liegt einerseits in der Bremse für den hohen Anstieg bei Wiedervermietungen in Citylagen, so wie es die Große Koalition plant. Entscheidend aber ist der Neubau.

Gebraucht werden größere Wohnungen für Familien und kleinere barrierefreie Wohnungen für Ältere, die durchaus umziehen würden, aber eben in ihrem alten Kiez.

Neuer Wohnraum muss bezahlbar sein. Das geht nur mit öffentlicher Förderung, denn eine freie Marktmiete von 10 Euro netto kalt können sich nur wenige leisten. Die geförderten Neubauvorhaben, die es dazu in Hamburg, München, Berlin und anderen Städten gibt, reichen für den Bedarf längst nicht aus.

11 Jun 2014

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Barbara Dribbusch

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