taz.de -- Kommentar Tisa-Verhandlungen: Die Macht der Geheimnisse
Freihandel klingt nach Freiheit, dabei wird aber nur dem Lobbyismus der Großkonzerne nachgegeben. Deswegen sind die Tisa-Verhandlungen geheim.
Freihandel ist die große Mode. Derzeit sind mindestens 110 Länder daran beteiligt, über 22 regionale Abkommen zu verhandeln. Auch Deutschland ist mittenmang dabei, wobei drei Großprojekte herausstechen: Die EU plant Verträge mit den USA sowie mit Kanada; zudem wird ein weltweites Dienstleistungsabkommen angestrebt, [1][das auf das Kürzel Tisa hört.]
Freihandel klingt so schön nach Freiheit, aber tatsächlich wird dem Lobbyismus der Großkonzerne nachgegeben. Es geht um mächtige Interessen, wie bereits ein schlichtes Indiz belegt: Die Gespräche sind stets streng vertraulich. Selbst die Bundestagsabgeordneten wissen nicht, was verhandelt wird. Stattdessen werden sie von der Regierung sogar noch angelogen, wie sich jetzt bei Tisa zeigt.
Diese Geheimniskrämerei ist keineswegs üblich, obwohl die EU-Kommission und die Bundesregierung immer den Eindruck vermitteln, als würden alle internationalen Abkommen in Hinterzimmern verabredet. Doch tatsächlich verlaufen viele globale Verhandlungen extrem transparent. Der Klimaschutz ist ein Bespiel: Alle Positionspapiere und alle Beschlüsse können auf einer Internetseite eingesehen werden. Es muss also einen unappetitlichen Grund haben, wenn Handelsabkommen absolut vertraulich bleiben.
Genauso merkwürdig: Die Geheimniskrämerei passt nicht zur offiziellen Ideologie. Der Freihandel wird stets als die Inkarnation einer Win-win-Situation verkauft. Alle Beteiligen werden profitieren, lautet das Versprechen. Doch wenn nur Segnungen zu erwarten sind – warum muss man dann über sie schweigen?
Es passt nicht zu einer Demokratie, dass Verhandlungen vertraulich sind. Der Bundestag schafft sich selbst ab, wenn er diese Geheimniskrämerei weiter zulässt.
4 Jul 2014
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