taz.de -- Kommentar Grüne EU-Parlamentarier: Karriere-Kinder an der Macht
Das Youtube-Video der Brüsseler Jung-Grünen um Ska Keller beweist: Ihnen täte das Einüben üblicher Floskeln vom Allgemeinwohl sogar ganz gut.
Politik kann ein anstrengender Beruf sein, auch kulturell. Man muss, je nach Partei, auch als bürokratischer Typ Bierzelte zum Kochen bringen, mit Inbrunst Arbeiterlieder singen oder bei der WM öffentlich mit Deutschland mitfiebern, obwohl man zu den Brasilianern hält.
Das Fremdschäm-Video, das die drei Brüsseler Jung-Grünen ins Netz gestellt haben, war dagegen freiwillig. Man kann es zunächst einmal als Beweis sehen, dass die Grünen gut daran getan haben, auf Rebecca Harms und nicht auf Ska Keller als Spitzenkandidatin für Europa zu setzen. Keller hatte im grünen Vorwahlkampf vor allem mit ihrer Jugend punkten wollen.
Terry „Juhuuu“ Reintke, die Peinlichste des Videotrios, polemisierte damals gegen das „Europa der alten weißen Männer“. Das Video wirkt, als seien „Kinder an die Macht“ gekommen. So, als fehlte den dreien das Bewusstsein, Entscheidungen treffen zu müssen, die Konsequenzen für uns alle haben.
Aber es wäre falsch, deswegen nur noch Ältere aufzustellen. Das Irritierendste ist nämlich nicht die jugendliche Unbekümmertheit der drei, sondern ihr naives Staunen darüber, wie weit man es gebracht hat („Ich bin doch jetzt auch neu gewählte Abgeordnete“ – „Geil“). Der Politikprofessor Franz Walter hat oft über den SPD-Nachwuchs geklagt. Ihm fehle die Bindung an die „kleinen Leute“, der Nachwuchs betreibe Politik aus Karrieregründen. Das Video zeigt: Bei den Grünen sieht es nicht viel anders aus.
Zu den Codes der deutschen Politik gehörte es bislang, die Begeisterung über die eigene Macht hinter Floskeln vom Allgemeinwohl verbergen zu müssen. Im besten Fall bewirkt dies tatsächlich eine stärkere Verpflichtung zu einer sozialen Politik. Man muss hoffen, dass die Jung-Grünen diese Codes noch lernen. Es könnte ihnen schwerfallen. Aber diesmal ist die Anpassung notwendig.
8 Jul 2014
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