taz.de -- WM-Halbfinale Brasilien - Deutschland: Ein Spiel wie ein Autounfall
Fünf Tore in 20 Minuten, nach einer halben Stunde war alles entschieden. In einem Jahrhundertspiel besiegt Deutschland den Gastgeber mit 7:1.
Die Startbedingungen: Abgesehen von Mustafi kann das deutsche Team auf den gesamten WM-Kader zurückgreifen. Joachim Löw will in diesem Halbfinale jedoch keine Experimente eingehen und setzt auf die Startelf des Viertelfinales. Heißt: Lahm hinten rechts, Klose vorne, Mertesacker auf der Bank und natürlich Neuer zwischen den Pfosten. Bei Brasilien fehlen der verletzte Fußball-Popstar Neymar und der Gelb gesperrte Thiago Silva; beide gelten als nicht ersetzbar. Dante und Bernard versuchen es zumindest.
Das Spiel: Die Seleção tastet sich zunächst an Neuers Strafraum heran. Der deutsche Spielaufbau gestaltet sich in den Anfangsminuten schleppend wie die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschuss. Aus dem Nichts ein Schuss von Khedira. Geblockt. Von Kroos. Mit dem Hintern. Entwarnung: Der Lendenwirbel ist noch ganz. Die brasilianische Abwehr im Anschluss aber nicht mehr. Deutschland schlägt eiskalt zu. Fünf Flachschüsse in zwanzig Minuten. Müller. Klose. Kroos. Kroos. Khedira. Teilweise wunderschön über mehrere Stationen herausgespielt. Nach dieser Tor-Inflation war das Fußballauge verwöhnt. Dafür dass Kroos' Schuss in der 32. nur ins Aus abgefälscht wurde, wollte man den Bayern fast vom Platz stellen. Bis zur 45. Minute wird zwar noch gespielt, nach der Reizüberflutung der ersten halben Stunde ist aber niemand mehr aufnahmefähig.
„Endlich Halbzeit“, dachten sich wohl auch die Brasilianer. Nach dem Wiederanpfiff dann auch mal eine Großchance für die Seleção. Aber da ist ja noch ein Neuer. Ach ja, der spielt ja auch! In der 69. Minute dann noch ein Tor des eingewechselten Schürrle. Und in der 79. noch eines. Oscar darf in der 91. noch einen Anschlusstrefferchen schießen. Dann ist das torreichste und zugleich langweiligste Spiel der WM vorbei.
Der entscheidende Moment: Irgendwo zwischen der 10. und 30. Minute. Was da passiert ist, dass dürfen die Historiker entscheiden.
Spieler des Spiels: Klose ist alleiniger WM-Rekord-Torschütze. Das ging im allgemeinen Allmachtsjubel unter.
Die Pfeife des Spiels: Die Pfeife in der Hand des Schiedsrichters, die das Spiel relativ pünktlich abpfiff.
Die Schlussfolgerung: Ein Spiel wie ein Autounfall. Brutal. Schmerzhaft. Erbarmungslos. Ein fußballerischer Genickbruch. Schön war das nicht. Und trotzdem musste man hingucken.
Und sonst? 7:1 – sonst nichts.
9 Jul 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Am Mittwoch startet Deutschland gegen Japan in die Fußball-WM. Die DFB-Elf muss sich dabei daran gewöhnen, nicht mehr Turniermannschaft zu sein.
Die deutsche Nationalmannschaft hat den Weltmeistertitel verdient. Das meinen nicht nur die Deutschen. Was ist anders als früher?
Nicht nur Joachim Löw spricht von Seriosität und Demut. Auch seine Spieler tun alles, um nicht abzuheben. Das ist schon fast gespenstisch.
Nach dem Arbeitssieg gegen Brasilien bangt Deutschland: Wie soll das im Endspiel gut gehen? Die knallharte Analyse der Fehler im Halbfinale.
Im Halbfinale spielten die Brasilianer wie von Gott verlassen. Und das schwarz-rot-goldene Publikum war vor allem eines: stumm.
Zum 7:1 zwischen Deutschland und Brasilien wurden weltweit über 35 Millionen Tweets abgesetzt. Beliebt sind vor allem humorvolle Randnotizen.
„Unser Statistik-Mann hat sich spontan selbst verbrannt“, sagt BBC-Kommentator Gary Lineker. Die internationale Presse feiert die epochale Blamage Brasiliens.
In den Armenvierteln wurden nach dem Spiel gegen Deutschland Leuchtraketen gezündet. Einen nationalen Kollektivschock gibt es nicht.
Der Gastgeber erreicht das Spiel um Platz drei. Eine Demütigung, die kaum zu verkraften ist. Die Brasilianer wittern eine Verschwörung.
Bundestrainer Joachim Löw lässt gegen Brasilien Jogi-Fußball spielen. Das Ergebnis ist eine Erniedrigung des Gastgebers.
An der Copacabana betrachteten tausende Brasilianer bei Regen und Donner ihr großes Verderben. Es war so trist wie Usedom.
Brasilien will Geschichte schreiben und erlebt die schlimmsten Minuten seiner Fußballgeschichte. Der DFB-Elf gelingt hingegen alles.
Deutschland führt Brasilien vor und schießt insgesamt sieben Tore. Brasilien kommt kurz vor dem Schluss noch zum Ehrentreffer.
Einige aus dem DFB-Kader sind unverzichtbar – sonst hat der Trainer viele Möglichkeiten. Doch die taktische Flexibilität ist nicht ungefährlich.
Auf Gott, wie Pelé glaubt, wird sich Brasilien nicht verlassen müssen. Denn Trainer Scolari kann viele Spieler als Neymar-Ersatz aufbieten.
Dank einer Wildcard dürfen die deutschen Handballer doch zur WM nach Katar reisen. Das DHB-Team profitiert vom vakanten Platz Ozeaniens – und von der guten WM 2013.