taz.de -- Kommentar Angriffe auf Gaza: Es wird eng für Netanjahu
Viele wollen, dass Ministerpräsident Netanjahu zurückschlägt. Doch schwächt Israel die Hamas zu sehr, droht Gaza zum neuen Somalia zu werden.
Israels Premier steht vor einem heiklen Balanceakt. Kriege rund um Gaza haben die Eigenschaft, Koalitionspartner und Wähler zu verprellen, Israel international zu isolieren, der Wirtschaft nachhaltig zu schaden und am Problem selbst kaum etwas zu ändern. Dabei erleichtert der rückhaltlose Beschuss israelischer Städte vorerst Netanjahus Job: Seit Monaten rackert er sich ab, um seine Koalition von Siedlern und Befürworter der Zweistaatenlösung bei der Stange zu halten. Jetzt einen die menschenrechtswidrigen Salven der Hamas auf Israels Städte die Reihen. Alle wollen, dass er zurückschlägt.
Doch um abzuschrecken, muss Netanjahu die Hamas empfindlich treffen. Was verheerende Folgen haben könnte: Provoziert er die Islamisten zu hart, werden diese den Beschuss auf Tel Aviv intensivieren. Er wäre gezwungen, in Gaza einzumarschieren, und riskierte, international geächtet zu werden. Oder noch schlimmer: Er müsste für den Landstrich und seine zwei Millionen verarmten Einwohner Verantwortung übernehmen.
Aber auch nur aus der Ferne zuzuschlagen birgt Gefahren: In einer Zeit, in der Syrien, Irak und der Libanon von Dschihadisten zersetzt werden und al-Qaida sich im Sinai austobt, droht auch der Gazastreifen zu einem Somalia zu werden, falls Israel die Hamas zu sehr schwächt. So will Netanjahu der Hamas wehtun, aber nur, damit sie ihn nicht piesackt.
Auf diese Weise Abschreckung herzustellen ist schwer. Die Hamas ist sich Israels Dilemma nämlich völlig bewusst. Sie hält die Drohung vor einem Einmarsch für einen Bluff und schöpft daraus das Vertrauen, weiter anzugreifen, um ihre schlechte Verhandlungsposition zu verbessern. So geht der Poker weiter. Die Verlierer stehen längst fest: die Zivilisten auf beiden Seiten.
11 Jul 2014
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