taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Reiche übervorteilen Reiche

Ob Luxushotels oder -wohnungen: Unter Reichen zählt nicht der Nutzen, sondern das Prassen. Das führt zu einem Robin-Hood-Prinzip der eigenen Art.
Bild: Luxusgut Sänfte: Kosten und Nutzen stehen bei Artikeln wie diesem leider nicht immer im richtigen Verhältnis.

Das Minidrama spielte sich im Hilton in Köln ab, hätte sich aber auch in jedem anderen Luxushotel ereignen können. An der Rezeption staut sich eine Schlange, weil der Gast ganz vorn eine scheinbar harmlose Frage stellt. „Haben Sie auch WLAN?“ Ja, in der Lobby sei es kostenfrei. „Und im Zimmer?!“ Da würde es leider 20 Euro kosten. Das kann der Gast nun gar nicht verstehen. „In jedem Budgethotel ist es umsonst!“ In der Warteschlange rumort ist. Es nicken alle, die schon einmal billig übernachtet haben. Der Hilton-Herr lächelt gequält, offenbar muss er diese Diskussion mehrmals täglich führen. Er könne auch nichts machen, „Anweisung von oben“.

Diese „Anweisung von oben“ gibt es seltsamerweise in jedem Luxushotel. Nur die Erklärungen an der Rezeption sind manchmal elaborierter. „Der Provider verlangt das“, heißt es dann beispielsweise, als ob die billigen Absteigen keine externen Internetdienstleister hätten.

Im Kapitalismus werden meist die Beschäftigten ausgebeutet. Doch manchmal existiert auch das umgekehrte Phänomen: Ausgerechnet die Armen erhalten mehr Service für weniger Geld, während die Vermögenden geschröpft werden. Es ist ein Robin-Hood-Prinzip der besonderen Art: Reiche übervorteilen andere Reiche.

Die Presseabteilung des Hilton-Konzerns formuliert es etwas feiner und sagt, man berücksichtige die „Marktgegebenheiten“. Übersetzt: Den rationalen Homo oeconomicus gibt es nicht. Stattdessen zahlen die Reichen dafür, dass sie sich reich fühlen dürfen. Es wird zum Statussymbol, dass man für einen Service Geld ausgeben muss, den andere umsonst erhalten.

Kosten und Nutzen klaffen beim Luxus auseinander

Dieses Phänomen ist nicht nur bei Luxushotels zu beobachten, sondern auch bei Luxuswohnungen. Der neidische Normalverdiener würde annehmen, dass ein Domizil perfekt sein muss, das pro Quadratmeter über 5.000 Euro kostet. Doch wie das Deutsche Architektenblatt ermittelt hat, trifft auch das Gegenteil zu: Die stolzen Luxuseigentümer bekommen bisweilen kaum Sonnenlicht und sind mit aberwitzigen Grundrissen konfrontiert.

Dass die Kosten-Nutzen-Relation beim Luxuskonsum häufig seltsam ist, fiel schon in der Frühzeit des Kapitalismus auf. Einer der kreativsten Ökonomen aller Zeiten war der US-Amerikaner Thorstein Veblen, der im Jahr 1899 ein ganzes Buch über „Die Theorie der feinen Leute“ verfasste. Darin prägte er den Begriff des „demonstrativen Verbrauchs“. Nicht der Nutzen zählt, sondern das sichtbare Prassen. Porsche verdient viel Geld damit.

Die kostspielige Angeberei war und ist derart weit verbreitet, dass es nicht lange dauerte, bis die Ökonomie sogar Formeln dafür fand. Besonders akribisch war der britische Neoklassiker Arthur Cecil Pigou (1877–1959), der eine umfangreiche Theorie der „Preisdifferenzierung“ entwickelte.

Wer sich also wundert, warum er im Luxushotel für ein WLAN im Zimmer bezahlt, das in Billigabsteigen umsonst ist: Es handelt sich um eine „Preisdifferenzierung der 3. Ordnung“. Das tröstet doch.

25 Jul 2014

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Ulrike Herrmann

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