taz.de -- Anzeige gegen sächsische NPD: Rechtsextreme Heimkontrollen

Sachsens NPD-Fraktionschef Holger Szymanski schlich sich mit Gefolgsleuten in ein Asylheim ein. Nun ist er wegen Amtsanmaßung angezeigt worden.
Bild: Von der NPD heimgesucht: die Bautzener Asylunterkunft, ein früheres Hotel

BERLIN taz | Die Männer kamen in schwarzen Anzügen in das Asylbewerberheim in Bautzen, mit Landtagsausweisen und offiziell anmutenden, grünen Ordnern unterm Arm. Als „sächsische Heimaufsicht“ hätten sich die Herren vorgestellt, erinnert sich Betreiber Peter R. Dann führte er sie durch die Räume, zeigte die Duschen oder das Spielzimmer.

Die Männer, die am Mittwoch das einstige Hotel besuchten, aber waren nicht von der Heimaufsicht. Es waren NPD-Leute, darunter der sächsische Fraktionschef Holger Szymanski. „Sehr interessante Eindrücke“ habe man gewonnen, teilte Szymanski danach freudig mit. Auch zwei weitere Unterkünfte, in Kamenz und in Dresden-Niederpoyritz, habe man aufsuchen wollen. Dort aber sei man abgewiesen worden.

Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) reagierte umgehend: Er zeigte Szymanski und seine Begleiter wegen Amtsanmaßung sowie Missbrauchs von Titeln bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden an. Die NPD-Gruppe habe eine „Nachkontrolle“ zum Heim-TÜV des Ausländerbeauftragten vorgetäuscht. „Solch einen Auftrag“, so Rößler, aber gebe "es weder seitens des Innenausschusses noch eines anderen Gremiums des Landtags".

Szymanski verteidigte sich am Donnerstag recht umständlich. Er habe sich nur als Abgeordneter über „die realen Zustände in Asylbewerberunterkünfte informieren“ wollen, teilte der NPD-Mann mit. Auf den Heim-TÜV habe er lediglich allgemein verwiesen, eine Nachkontrolle nur als „wünschenswert“ bezeichnet.

„Ich habe mich die ganze Nacht geärgert“

Heimbetreiber Peter R. hat andere Erinnerungen. Alles sei als offizieller Besuch dargestellt worden, schildert er der taz. Zu keinem Zeitpunkt hätten sich die Männer als NPD-Vertreter zu erkennen gegeben. „Ich habe mich die ganze Nacht geärgert, dass ich so naiv war und mir keine genauere Identifikation habe zeigen lassen.“

Peter R. muss sich aber auch in einem zweiten Punkt rechtfertigen. Denn die NPD fertigte von ihrer Visite auch ein Video - laut R. ohne darüber zu informieren. Darin beklagt sich R. deutlich über Vandalismus in der Unterkunft, nennt die Verursacher „Deppen“. R. begründet aber auch seine Kritik: Er habe Sorge, dass durch die Vorkommnisse das generelle Bild von Asylbewerbern beschädigt wird.

Der Heimbetreiber will über seinen Anwalt das Video nun aus dem Netz nehmen lassen. Die Ausschnitte seien „stark geschnitten und aus dem Zusammenhang gerissen“, sagt Peter R. Die Hilfe für Flüchtlinge sei ihm ein großes Anliegen. Lange habe er gekämpft, um aus seinem einstigen Hotel eine Asylunterkunft zu machen. Die wurde Mitte Juli in Betrieb genommen.

Für die NPD war es nicht der erste Besuch in Bautzen. Erst vor zwei Wochen hatte die rechtsextreme Partei vor dem Heim gegen Asylbewerber protestiert.

Auch der jetzige Besuch diente ihrem Wahlkampf. Die NPD hat Aufmerksamkeit nötig: In einem Monat wählt Sachsen einen neuen Landtag. Der Neonazi-Partei droht dort, nach zehn Jahren, das Aus. In Umfragen liegt sie bei nur 3 Prozent. Landtagspräsident Rößler fand für die Aktion deutliche Worte: „Ich verurteile es ausdrücklich, die Not von Asylsuchenden parteipolitisch für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen“.

31 Jul 2014

AUTOREN

Konrad Litschko

TAGS

Rechtsextremismus
NPD
Asylsuchende
Sachsen
Unterbringung von Geflüchteten
Holger Szymanski
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Landtagswahlen
Flüchtlinge
Schwerpunkt Landtagswahlen
NPD
Schwerpunkt AfD
NPD

ARTIKEL ZUM THEMA

Gewalt gegen Asylbewerber: Wachmänner misshandeln Flüchtlinge

Im Siegerland sollen Sicherheitsleute Flüchtlinge misshandelt haben. Ein Handyfoto zeigt ein Opfer gefesselt am Boden mit einem Fuß im Nacken.

Landtagswahl in Sachsen: Die NPD kippelt

Lange war Sachsen Stammland der NPD. Jetzt bangen die Rechten um den Einzug in den Landtag. Ein Scheitern würde die kriselnde Partei schwer treffen.

NPD auf der Schwäbischen Alb: Lieber Flüchtlinge als Nazis

Die NPD ruft zum Protest gegen ein geplantes Flüchtlingsheim in Meßstetten auf. Doch die Kleinstadt spielt nicht mit.

Landtagswahl in Sachsen: Und diese Partei heißt eben CDU

Wie ticken die Sachsen? Warum wählen sie seit 1990 immer wieder „schwarze Regierungen“?

Klagewelle der NPD: Niederlagen lohnen sich

Regierungsvertretern wird von der NPD die Verletzung der Neutralitätspflicht vorgeworfen. Die Partei klagt vermehrt an Verfassungsgerichten.

AfD, NPD und FDP: Bundestagseinzug über Umwege

Sieben deutsche Kleinparteien haben künftig Büros im Bundestag. Weil sie im EU-Parlament sitzen, sollen sie auch in Deutschland Privilegien genießen dürfen – sagt die EU.

NPD-Politiker als Mallorca-Kneipenwirt: Der Apfel fällt doch weit vom Stamm

Holger Apfel, bis vor kurzem eine Parteigröße der NPD, will sich nicht den Mühlen eines sühnenhaften Drills unterwerfen. Bürger wie ihn muss man ertragen.