taz.de -- ZDF-Onlinevoting zu Sitcom-Formaten: Lustiger wird’s nicht
Das „TV Lab“ des Digitalsenders ZDFneo lässt seine Zuschauer über drei neue Sitcom-Formate abstimmen. Leider sind diese nur mäßig originell.
Schon 2003 wies ZDF-Intendant Thomas Bellut, damals noch Programmdirektor, in Interviews darauf hin, dass man eigene Sitcom-Formate produzieren müsse, um die junge Zielgruppe zu erreichen. 2011 untermauerte er seinen Wunsch nach einer deutschen Comedyserie im Stile von „Two and a Half Men“, der erfolgreichen Sitcom mit Hollywoodstar Charlie Sheen.
Wie passend, dass er dieses Ziel auf der Pressekonferenz zum „TV Lab“ des Digitalsenders ZDFneo bekanntgab, das damals erstmals stattfand. Das als Experimentierraum und Jungbrunnen angekündigte Labor soll frische Formate testen und dabei die Zuschauer per Onlineabstimmung mit einbeziehen.
Schon unter den zehn Produktionen der ersten „TVLab“-Staffel war mit „Scharfe Hunde“ eine höchstens leidlich witzige Krimi-Comedyserie mit Thomas Heinze und Matthias Matschke im Rennen, der deutlich anzumerken war, dass sie im Schnellverfahren und mit Mini-Budget produziert werden musste. Bei der Web-Abstimmung hatte sie keine Chance, aus Quotensicht stellte sie sich jedoch als erfolgreichstes Format heraus. Eine Fortsetzung gab es trotzdem nie.
Nachdem sich das „TVLab“ zuletzt überwiegend an vermeintlich originellen Talk- und Magazinformaten abgearbeitet hat, präsentiert der Sender dieses Jahr drei Comedy-Serienideen, über die registrierte User [1][bis Freitagmittag abstimmen] können. Heute Abend zeigt ZDFneo ab 21.45 Uhr die Pilot-Episoden von allen drei Formaten im linearen Programm.
„Blockbustaz – Willkommen in der Hood“
Das geforderte deutsche „Two and a Half Men“ ist wohl nicht dabei, auch wenn man das „Blockbustaz – Willkommen in der Hood“ mit den Rappern Eko Fresh und Sascha Reimann (bekannt als Ferris MC) durchaus hätte zutrauen können. Fresh spielt darin den in einer Hochhaussiedlung lebenden Möchtegern-Rapper Sol, der an seinem 30. Geburtstag von seiner Mutter vor die Tür gesetzt wird. Außer ein paar netten Gags und der unbestrittenen Präsenz ihrer Hauptdarsteller plätschert die Episode recht ereignisarm vor sich hin, kommt zu selten über selbstironische Klischees vom Kiffen und dem vielfach berappten Leben im Block hinaus.
Auch die „Alibi Agentur“ eine Mischung aus Drama und Comedy über ein Unternehmen, das seinen Klienten Alibis für ihre moralischen Fehltritte verpasst, ist eher hölzern und bemüht als originell. Wie in „Jetzt ist Sense“, der dritten Produktion, in der Protagonist Andi (Alexander Schubert) mit dem leibhaftigen Tod (Antoine Monot jr.) konfrontiert wird, fehlt es allen Produktionen an Schwung, Inszenierungsideen und treffsicheren Dialogen.
Das fällt bei „Jetzt ist Sense“ besonders auf, weil selbst tolle Darsteller wie Schubert, Monot jr. und Martin Brambach auf Grund von langen und statisch abgefilmten Szenen manchmal an Protagonisten in der Aufführung einer Improvisations- oder Theatergruppe erinnern. Es fehlt einfach generell an filmischem Gespür für Timing und Situationskomik.
Ist die Suche nach einer neuen deutschen Sitcom also hoffnungslos? Gibt es keine originellen Ideen und Geschichtenerzähler in Deutschland? Oder hat der Sender die Originalität bereits in der Vorauswahl ausgesiebt? Das enttäuschende Ergebnis könnte aber auch an der knappen Vorbereitungszeit für die Produktionen liegen, die erst im Juni abgedreht wurden – viel Raum für Detailarbeit blieb da nicht.
Bei aller Kritik sollte man außerdem das Ziel des Unterfangens nicht vergessen: Junge Fernsehmacher und Autoren erhalten viel zu wenig Möglichkeiten, sich auf höherem Niveau auszuprobieren, zu üben und auch mal zu scheitern. Dafür ist so ein Labor schließlich auch da. Fortsetzung also dringend erwünscht.
28 Aug 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Vor 25 Jahren lief die letzte Folge von „Alf“. Geblieben ist Verwirrung – und die Liebe zur Hauptfigur.
Was soll man da jetzt noch weiter im Dreck wühlen? Das ZDF zieht einen Strich unter die Manipulationen bei „Deutschlands Beste“.
In der US-Serie „The Leftovers“ verschwinden Millionen Menschen und das kleinbürgerliche Idyll erodiert. Im Herbst kommt sie nach Deutschland.
Bastian Pastewka zeigt auch in der siebten Staffel von „Pastewka“, was in deutschen Serien möglich ist: kluger Humor und gute Dialoge.
Vor 20 Jahren lief die erste Folge von „Kalkofes Mattscheibe“. Heute findet der TV-Satiriker die Dokusoaps der Privaten lieblos und beklagt den Hass vieler Zuschauer.
ZDFneo wiederholt bei „Kuttner plus Zwei“ das eigene Erfolgsrezept: Lässigkeit, Design, Schnaps. Nah kommt die Moderatorin ihren Gästen nicht.
In der belgischen Serie klärt eine taffe Kommissarin Sexualdelikte auf. Die Vergangenheit der Protagonistin scheint nicht von Gewalt verschont.
Im Herbst wird der Deutsche Fernsehpreis zum vorerst letzten Mal verliehen. Seine Zukunft ist ungewiss, dabei füllte er eine große Lücke.
Die BBC dreht den Trend um. Statt wie bei „Sherlock“ Vergangenes ins Heute zu holen, erzählt sie den viktorianischen Jack the Ripper neu.