taz.de -- Gegen die Dauerkrise: Polen fordert 700 Milliarden Euro

Ein Mega-Investitionsprogramm soll der EU aus der Stagnation helfen. Der polnische Finanzminister meint, die Krise sei „schlimmer als in den 30ern“.
Bild: Demonstration gegen Kürzungen in Athen.

BRÜSSEL taz | Angesichts der drohenden Dauerkrise in Euroland wird der Ruf nach einem wirtschaftspolitischen Kurswechsel lauter. Nach Frankreich und Italien hat sich nun auch Polen für ein massives Investitionsprogramm ausgesprochen. Nötig seien 700 Milliarden Euro oder rund 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sagte Finanzminister Mateusz Szczurek in Brüssel.

„Wir stehen am Rand der Deflation, die Krise ist schlimmer als in den 30er Jahren“, sagte Szczurek auf einer Konferenz der Denkfabrik „Bruegel“. Schon jetzt erlebe Europa ein „verlorenes Jahrzehnt“ - genau wie Japan in den 80er Jahren. Wenn die EU nicht entschieden gegensteuere, drohe eine „verlorene Generation“.

Diese Analyse ist bemerkenswert, denn Polen gehört nicht dem Euro an, und von Krise ist in Warschau bisher nicht viel zu spüren. Doch auf Dauer könne sich auch sein Land nicht dem Abwärtstrend entziehen, so Szczurek. Die EU müsse schnell und entscheiden handeln. Es reiche nicht aus, sich allein auf die Europäische Investitionsbank (EIB) zu verlassen, wie dies Kanzlerin Merkel wünscht.

Vielmehr schlug Szczurek vor, eine neue Institution nach dem Muster des Euro-Rettungsfonds ESM aufzubauen. Der „Europäische Investitionsfonds“ (EFI) soll sich das Geld auf den Finanzmärkten ausleihen, was angesichts der Nullzinsen praktisch kostenlos sei. Mit dem Geld sollten neue Stromtrassen, Breitbandkabel und vielleicht auch gemeinsame Rüstungsprojekte finanziert werden.

In Brüssel geht man davon aus, dass Szczurek seinen Vorschlag mit dem polnischen Premier Donald Tusk abgesprochen hat. Tusk wechselt im Dezember als EU-Ratspräsident nach Brüssel - und kann dort wichtige Impulse geben. Allerdings dürfte er auf Widerstand aus Berlin stoßen, denn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt bisher jeden wirtschaftspolitischen Kurswechsel in der Eurozone ab.

Mit ihrer Haltung steht sie allerdings zunehmend allein. Am Donnerstag hatte auch der Präsident des Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, ein Umdenken gefordert. Die EZB habe mit der jüngsten Zinssenkung fast alles Mögliche getan, nun müssten auch die Staaten handeln. Derzeit stagniert die Wirtschaft im Euroraum, wie die EU-Statistiker gestern bestätigten.

5 Sep 2014

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Eurokrise
Polen
Investitionen
Europa
Donald Tusk
EU
Schwerpunkt Angela Merkel
EU-Osterweiterung
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt TTIP
Europa

ARTIKEL ZUM THEMA

Debatte Polens Blick auf Griechenland: Kein Mitleid mit Athen

Den meisten Polen fehlt es an Empathie für die Hellenen. Sie haben die eigene Schocktherapie von 1990 in Erinnerung.

Kommentar Pariser Regierungskrise: Frankreich braucht keine Agenda 2010

Hat Frankreich den Wettkampf der Nationen verloren? Doch wenn das Modell Deutschland siegt, wer soll dann noch die produzierten Waren kaufen?

Kommentar TTIP & Währungsspekulation: Die 5,3-Billionen-Dollar-Wette

Die Welt streitet über Freihandelsabkommen, dabei ist das eigentliche Problem die Spekulation mit Währungen. Warum bleibt sie unbeachtet?

Juncker ist EU-Kommissionschef: Glatt durch

Vollendet: Das EU-Parlament wählt Luxemburgs Ex-Premier zum Präsidenten der Kommission. In der neuen Rolle klingt der fast ein wenig gelangweilt.