taz.de -- Deutsche Provider ausgespäht: Weitreichende Zugriffsmöglichkeiten

Ein Kölner Provider hält die Dokumente, die dessen Überwachung durch Geheimdienste belegen, für echt. Die Telekom findet keine Auffälligkeiten.
Bild: Antennen auf dem Gelände der Firma Netcologne in Köln: Auch die Angestellten der Firma wurden offenbar ausspioniert

BERLIN taz | Nach Berichten über Überwachungstätigkeiten der Geheimdienste NSA und GCHQ bei Providern in Deutschland hat eines der betroffenen Unternehmen die Informationen als zutreffend bewertet. Das zeigt ein Video auf der Enthüllungsplattform //firstlook.org/theintercept/2014/09/14/nsa-stellar/:The Intercept. Darin zu sehen ist die Reaktion von zwei Mitarbeitern des Providers Stellar PCS auf Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden. Die Mitarbeiter zeigen sich in der Aufnahme erschrocken über die Dokumente, aus denen hervorgeht, dass auch die Mitarbeiter selbst Gegenstand der Überwachung waren.

Stellar verkauft Internetanbindungen per Satellit. Interessant ist das vor allem in Gebieten, die sich mit Kabeln nur schwer erschließen lassen, etwa in der Sahara. In dem Video erklärt ein Mitarbeiter, dass die Zugriffsmöglichkeiten, die aus den Dokumenten hervorgehen, sehr weitgehend seien. Mit einem offenbar geknackten Passwort ließen sich sogar Angebote für seine Kunden manipulieren – etwa die Bandbreite ändern oder die Verbindung abschalten.

Am Wochenende hatten The Intercept und [1][der Spiegel] berichtet, dass fünf Provider in Deutschland als Zugriffspunkte für Überwachungstätigkeiten genutzt wurden: Neben Stellar seien das Netcologne, Cetel, IABG und die Telekom. „Wir haben keine Hinweise darauf, die die NSA Zugriff hatte oder hat“, sagt Telekom-Sprecher Philipp Blank.

Man habe IT-Spezialisten vom Spiegel und eigene Forensiker herangezogen und keine entsprechenden Auffälligkeiten gefunden. Laut Blank könne man die Dokumente aber auch so interpretieren, dass die Geheimdienste auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet auf die Daten zugreifen. Auch die Autoren von The Intercept, darunter Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club, schreiben, dass aus den Dokumenten nicht hervorgeht, wie und wo die NSA sich Zugang zu den Netzwerken verschafft habe.

Allerdings ist einer der Provider, Netcologne, regional tätig. Das deute darauf hin, dass der Zugriff doch in Deutschland erfolgt sei. Auch Netcologne erklärte, keine Hinweise auf ein Anzapfen gefunden zu haben. Die Telekom bezeichnet einen Zugriff ausländischer Geheimdienste auf das eigene Netz als „völlig inakzeptabel“. Die Formulierung reiht sich ein in mehrere Reaktionen über Abhörmaßnahmen von Geheimdiensten. So nannte die Bundesregierung das „Abhören von Freunden inakzeptabel“. Politische Konsequenzen wurden bislang allerdings nicht bekannt.

15 Sep 2014

LINKS

[1] http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/stellar-gchq-hackte-rechnersystem-eines-deutschen-unternehmens-a-991486.html

AUTOREN

Svenja Bergt

TAGS

NSA
Schwerpunkt Überwachung
Edward Snowden
GCHQ
NSA-Affäre
GCHQ
Netzpolitik
Internet
Edward Snowden
NSA
Edward Snowden
Spähaffäre
Schwerpunkt Überwachung
NSA

ARTIKEL ZUM THEMA

Vodafone kaufte Datensaug-Firma: Schluuuurrrrp

Beim Anzapfen der Unterseekabel bekam der Geheimdienst GCHQ Hilfe. 70 Prozent der ausgeleiteten Datenmengen kamen über eine heutige Vodafone-Tochter.

GCHQ-Chef über Facebook und IS: Das Zentrum der Terrorkontrolle

Der neue britische Geheimdienstchef fordert, soziale Netzwerke stärker zu überwachen. Dabei haben Behörden schon jetzt massenhaft Zugriff.

Netzpolitik.org feiert 10-Jähriges: Toll, toll, toll und auch noch weise

Netzpolitik.org feiert sich selbst mit einer Konferenz. Die ultimative Lobhudelei fehlt ebensowenig wie Debatten über Sinnkrise und Daseinsberechtigung.

Google-Chef befürchtet Internet-Ende: Spitzel warnen vor Spitzeln

Die NSA ist schuld. Das Internet könnte durch Ausspähung „zerbrechen“, meint Google-Chef Schmidt. IT-Firmen und Politiker fordern von der US-Regierung Konsequenzen.

Snowden erhält Alternativen Nobelpreis: Friedensgrüße nach Moskau

Edward Snowden bekommt für seine NSA-Enthüllungen den Alternativen Nobelpreis. Auch der Chefredakteur des britischen „Guardian“ wird ausgezeichnet.

Deutsches Telekommunikationsnetz: Verdeckte Zugänge für NSA und GCHQ

Laut „Spiegel“ überwachen die angelsächsischen Geheimdienste den deutschen Datenverkehr viel direkter als bisher gedacht. Auch die Telekom ist davon betroffen.

Glenn Greenwald über NSA-Aufklärung: „Nicht an der Illusion mitwirken“

Der Snowden-Vertraute Glenn Greenwald begründet seine Absage als Zeuge im NSA-Ausschuss. Und er kündigt weitere Enthüllungen an.

Bundesregierung weist US-Agenten aus: Revanche für die „Dummheiten“

Die Regierung zieht Konsequenzen aus der Spähaffäre und weist den Geheimdienstkoordinator der US-Botschaft aus. Alle Fraktionen begrüßen den Schritt.

Kommentar NSA-Überwachung: Unter Generalverdacht

Wer auf Anonymität im Netz setzt, ist der NSA offensichtlich verdächtig. Betroffen ist deshalb nicht nur ein Student, sondern alle sind es.

Bericht der „Washington Post“: NSA darf fast alle ausspionieren

Bis auf die sogenannten „Five Eyes“ darf der US-Geheimdienst NSA fast jede Regierung und Organisation ausspähen – darunter auch Deutschland.