taz.de -- Kommentar Streik bei Amazon und Bahn: Lokführer müsste man sein
Wenn Piloten oder Lokführer streiken, sind die Auswirkungen schnell spürbar. Wenn Paketpacker streiken, kriegt das kaum jemand mit.
Lokführer müsste man sein – das wünscht sich wohl manch streikender Paketepacker beim US-Internetversandunternehmen Amazon. Wenn ein Lokführer streikt, bleibt sein Zug einfach auf dem nächsten Bahnhof stehen – und nichts geht mehr. Ein paar Züge, die die Gleise verstopfen, reichen allemal, um das System Schiene lahmzulegen.
Von dieser Streikmacht können die Amazonier nur träumen. Fällt ein Packer aus, kann er leicht ersetzt werden – etwa durch Aushilfen, deren Einstellung durch die Hartz-Reformen erleichtert wurde. Und selbst wenn niemand bei Amazon arbeitet, kann es Tage dauern, bis die Kundschaft den Ausstand spürt und so ökonomischer Druck auf die Firma entsteht. Ganz anders bei Lokführern und Piloten: Ein paar Stunden Streik reichen, um große Wirkung zu erzielen – deshalb ist es auch müßig, Streiktage zu zählen und so die angebliche Zahmheit der Spartengewerkschaften zu belegen.
Gerecht ist das nicht: Bei Amazon schuften die Beschäftigten für wenig Geld, um der Kundschaft allzeit Päckchen zu liefern; und der boomende Großkonzern weigert sich, tarifvertraglichen Regeln zuzustimmen. Diese hätten die Beschäftigten längst verdient. Aber der Gewerkschaft Verdi fällt es schwer, in einem gewerkschaftsfeindlichen Umfeld genügend kampfbereite Mitglieder zu gewinnen. Hoffentlich kann sie im Weihnachtsgeschäft genug Druck machen.
Ganz anders bei den gut organisierten DB-Lokführern: Sie legen den Bahnverkehr an einem ganzen Ferienwochenende lahm, weil ihre Gewerkschaftsführung die Macht bei der Bahn ausdehnen will. So macht man sich keine Freunde – auch nicht im Betrieb. Irgendwann aber wird jede Berufsgruppe (und jede Spartengewerkschaft) auf die Solidarität der anderen angewiesen sein. Soll dann „Wie du mir, so ich dir“ gelten?
28 Oct 2014
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