taz.de -- Youtube-Video „Anmachsprüche“: Versteckter Rassismus?

Frauen werden minütlich im öffentlichen Raum angemacht. Das zeigt ein Video aus New York. Doch beim Betrachten bleibt ein fader Beigeschmack.
Bild: 108 Belästigungen in zehn Stunden

BERLIN taz | Mindestens 100 dumme Anmachsprüche muss eine Frau sich anhören, die alleine zehn Stunden durch New York spaziert. Gesehen haben das bereits Millionen Nutzer in dem Video, das sich dieser Tage über die sozialen Netzwerke viral verbreitet. „Hollaback!“ heißt die gemeinnützige, aber wegen [1][vergangener Aktionen] bereits umstrittene Organisation, die die Aktion iniitiert hat und sich gegen Belästigung auf der Straße einsetzt.

Aber auch die Marketingfirma „Rob Bliss Creative“ steckt hinter der versteckten Kamera, mit der die Schauspielerin Shoshana Roberts bei ihrem Test-Spaziergang gefilmt wurde. „Was geht ab, Hübsche? Hab einen schönen Tag“ und „Sexy“ sind nur einige der Sprüche, die der in Jeans und T-Shirt völlig leger gekleideten Protagonistin hinterhergerufen werden.

Die Sexismus-Debatte wäre perfekt, wäre da nicht dieser fade Beigeschmack, der nicht jedem und vielleicht erst beim zweiten oder dritten Betrachten des Videos auffällt: Weshalb wird Roberts als weiße Frau ausschließlich von schwarzen, afroamerikanischen Männern angesprochen?

Die Erklärung dafür gibt der Marketing-Chef Rob Bliss, der sich auf Twitter selbst als Regisseur viraler Videos bezeichnet, via [2][Reddit]: „Es gab auch genügend weiße Männer, aber aus irgendeinem Grund war das meistens im Vorbeigehen oder wurde nicht gefilmt.“ Die gefilmten Szenen mit weißen Männern seien meist zu kurz gewesen oder hätten eine schlechte Bild- oder Tonqualität gehabt, so Bliss.

Sexismus gegenüber Frauen ist keine Sache der Hautfarbe. Aber das knapp zweiminütige Video erweckt eben genau diesen falschen Anschein beim Zuschauer.

Es gibt bereits ein ähnliches, unbekannteres [3][Youtube-Video] der Schauspielerin Jessica Williams, das für das Late-Night-Programm „The Daily Show“ produziert wurde. Egal ob schwarze Teenager, weiße Rentner und Börsenmakler, Latinos, Menschen aus Nahost – „wirklich jeder Mann“ baggert sie an, sagt Williams. Das eigentliche Problem löst das natürlich nicht, aber vielleicht spiegelt dieses Video dann doch ein wenig mehr die Realität wider.

30 Oct 2014

LINKS

[1] http://griid.org/2011/05/28/rob-bliss%E2%80%99s-lip-dub-sparks-some-questions/
[2] http://www.reddit.com/r/nyc/comments/2kkyq6/10_hours_of_walking_in_nyc_as_a_woman/clmfg1j
[3] http://youtu.be/d1EI21k2Jro?t=57s

AUTOREN

Nora Pfützenreuter

TAGS

Schwerpunkt Rassismus
New York
Sexismus
Youtube
Schwerpunkt Rassismus
Games
Feminismus
Sexismus
Pinkstinks
Luft und Liebe

ARTIKEL ZUM THEMA

YouTube-Werbung gegen rechts: Ganz schön perfide

Ein Verein schaltet im Internet eigene Werbeclips mit Reden von Flüchtlingen vor rechten Hetzvideos. Klingt prima. Ist es auch – fast.

Sexismus in der Gamerszene: Die Prinzessin rettet den Troll

Die Videospielewelt ist von Sexismus geprägt. Wer darauf hinweist, kann Probleme bekommen. Es sollten mehr Frauen in die Spieleentwicklung.

Buch „Weil ein #Aufschrei nicht reicht“: Feminismus? Fuck, yeah!

Anne Wizorek initiierte die #Aufschrei-Kampagne. Jetzt liefert sie eine selbstbewusste Anleitung für ihren Twitter-Feminismus.

Kommentar Diskriminierende Werbung: Gesellschaftliche Grundstörung

Frauenorganisationen fordern ein gesetzliches Verbot sexistischer Werbung. Doch es gibt ein praktisches und ein generelles Problem.

Diskriminierende Werbung: „Pinkstinks“ gegen Sexismus

NGOs wollen per Gesetz geschlechterdiskriminierende Werbung verbieten lassen. Aber Wirtschaft und Parteien signalisieren Ablehnung.

Kolumne Luft und Liebe: Dann nimmt man sie halt nackt

Eifersucht, Endoskopie und Esoterik: Mit Frauen lässt sich alles dekorieren. Eine kurze Recherche bei „Focus“, „Stern“ und „Spiegel“.