taz.de -- Kommentar Wahl in der Ostukraine: Für Kiew kandidiert keiner
Die „Volksrepublik Donezk“ ist keine Demokratie. Sie ist nicht einmal ein anerkannter Staat. Trotzdem ist die Wahl dort nicht zwingend anzuprangern.
Können Wahlen Sünde sein? Nein, können sie nicht. Auch dann nicht, wenn sie in einem Gebiet stattfinden, das sich als „Staat“ versteht und gleichzeitig von keinem Staat der Welt anerkannt wird. Wahlen sind nie per se schlecht, allenfalls ihre Begleitumstände sind anzuprangern.
In diesem Fall deuten die Begleitumstände nicht gerade auf freie und faire Wahlen hin. Gleichzeitig liegt vieles in den sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk im Argen: Seit wenigen Wochen sind homosexuelle Handlungen in der „Volksrepublik Lugansk“ strafbar. Homosexuellen drohen zweieinhalb Jahr Haft.
Die „Volksrepublik Donezk“, die sich als Militärdiktatur versteht, hat die Todesstrafe wiedereingeführt. Kiewloyale Bürger müssen mit dem schlimmsten rechnen, sollten sie den Mut haben, mit ihren Überzeugungen an die Öffentlichkeit der Stadt Donezk zu gehen. Eine Kandidatur von kiewtreuen Kandidaten war in dem in Donezk und Lugansk herrschenden Klima überhaupt nicht vorstellbar.
Doch wer jetzt in Kiew, Berlin oder auch Paris all die kritisiert, die in irgendeinem Luftschutzkeller von Donezk oder Lugansk ihre Stimme für ein Staatsoberhaupt abgegeben haben, dessen Staat nicht anerkannt wird, sollte sich fragen lassen, ob es nicht besser wäre, die Luftangriffe zu kritisieren statt die Stimmzettel.
Die Kritik an den Wahlen erinnert an die Kritik an den russischen Hilfsgüter. Es gibt gute Gründe, die russische Ukrainepolitik zu kritisieren, die mit für die Eskalation in der Region verantwortlich ist. Doch warum muss man ausgerechnet die russischen Hilfstransporte für eine Bevölkerung kritisieren, die von Kiew schon lange keine Rente mehr erhält und deren Rentner gezwungen sind, sich über die Front in eine von Kiew kontrollierte Stadt durchzuschlagen, um dort ihre Rente abzuholen?
3 Nov 2014
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