taz.de -- Noch-Fußballchef vom FC St. Pauli rechnet ab: Die Schlammschlacht beginnt

Zwei Wochen vor seinem Abgang teilt St. Paulis scheidender Clubchef gegen den Aufsichtsrat und seinen designierten Nachfolger aus. Die wehren sich verhalten.
Bild: Tritt schon mal vorsorglich nach: Noch-St.-Pauli-Chef Stephan Orth.

Der Burgfrieden ist zerbrochen. Vier Monate hielten die alte und die neue Führungscrew des FC St. Pauli an die Verabredung, sich gegenseitig nicht mit Dreck zu bewerfen. Zwei Wochen vor der Jahreshauptversammlung des Zweitligisten aber, auf der ein neues Präsidium unter Führung des Musikunternehmers Oke Göttlich zur Wahl steht, ist Schluss mit der selbst verordneten Harmonie.

Ein Interview des scheidenden Präsidiums um Stefan Orth im Hamburger Abendblatt sorgt derzeit vereinsintern für heftige Diskussionen. Vorherrschender Tenor: Die Aussagen der fünf Noch-Präsidiumsmitglieder seien geprägt von „Selbstgefälligkeit“ und „voll von Eigenlob“. „Immensen Sachverstand“ attestiert da etwa Clubchef Orth seiner Crew, und Vizepräsident Jens Duve erwähnt ganz beiläufig: „Der Verein steht heute ganz anders da (…) als vor vier Jahren, als ich hier begonnen habe.“

Es ist nicht nur die mangelnde Bescheidenheit, die im Club schlecht ankommt, sondern mehr noch die öffentlichen Attacken gegen den Aufsichtsrat und das von ihm vorgeschlagene künftige Präsidium. So behauptet Orth, die einzige Begründung, die er vom Rat für den geplanten Führungswechsel erhalten habe, sei, man wolle nun „ein linksalternatives Fan-Präsidium“. Orth warnt deshalb: „Der FC St. Pauli ist kein Politbüro.“

„Wir wollen keine Schlammschlacht“, sagt Aufsichtsratschef Marcus Schulz, kontert dann aber: Die Formulierung „linksalternativ“ sei „nie gefallen“ und die politische Gesinnung „auch kein Auswahlkriterium gewesen“, bezichtigt er Orth indirekt der Lüge.

Damit endet die Allianz der Gremienchefs: Noch vor Kurzem hatten Schulz und Orth hinter den Kulissen paktiert, um Vereinsikone Holger Stanislawski als Trainer zurückzuholen, waren aber intern gescheitert.

Was Schulz verschweigt, um den scheidenden Vereinsboss nicht völlig zu demontieren: Seit Langem gibt es im Club Kritik, das Präsidium habe den Ausbau des Nachwuchsleistungszentrums nicht genug forciert, sich zu spät gegen eine Polizeiwache im Stadionneubau eingesetzt und zudem oft mäßig kommuniziert – auch innerhalb der eigenen Reihen.

So erfuhr Orth im Frühjahr vom Aufsichtsrat, dass dieser auch nach personellen Alternativen Ausschau halte und bekam „als erster Ansprechpartner“ ein detailliertes Anforderungsprofil für ein zukünftiges Präsidium mit auf den Weg. Doch statt seine Stellvertreter davon sofort zu informieren, bot er im Alleingang Oke Göttlich an, als Vize ins Präsidium einzurücken, um so den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Der Coup misslang und Orths Stellvertreter erfuhren erst im letzten Augenblick von ihrer drohenden Ausbootung. Zur Strafe musste Orth allein das Aus seines Teams verkünden. Statt ihm auf dem Podium Beistand zu leisten, lauschten die vier Vizes im Publikum.

Nicht einmischen in diesen Streit will sich der designierte Präsident Oke Göttlich, der sein Team am Dienstagabend erstmals den Mitgliedern präsentierte. Mit der Etikettierung „linksalternativ“ habe er „kein Problem“ sagt Göttlich, betont aber gleichzeitig, „dass in seinem Team ausgewiesene Wirtschaftsfachleute und erfolgreiche Unternehmer“ mit einer eher konservativen Berufsbiografie säßen.

4 Nov 2014

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Marco Carini

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