taz.de -- US-Deserteur sucht Asyl in Deutschland: Noch offene Fragen

Ein in Bayern stationierter US-Soldat wollte nicht wieder in den Irak. Er setzte sich ab. Sein Asylantrag scheiterte. Jetzt muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.
Bild: Andre Lawrence Shepherd vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

LUXEMBURG dpa | Ein desertierter US-Soldat kann nach einem Gutachten am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg weiter auf Asyl in Deutschland hoffen. Eine einflussreiche [1][Gutachterin des Gerichtshofs argumentierte (pdf-File)] am Dienstag, Soldaten könnten Asyl beantragen, falls sie durch den Militärdienst in Kriegsverbrechen verwickelt zu werden drohten [2][(Rechtssache C-472/13)]. Sie wies aber auf eine Reihe von offenen Fragen hin.

Andre Lawrence Shepherd wollte durch die Flucht von seinem Standort in Bayern 2007 einem zweiten Einsatz im Irak-Krieg entgehen. Dabei berief er sich auf Gewissensgründe, weil er den Krieg der USA im Irak für völkerrechtswidrig hielt.

Sein Asylantrag scheiterte aber bei den deutschen Behörden. Dagegen klagte der Mann. Er meint, ihm hätten wegen Fahnenflucht eine 18 Monate lange Haftstrafe und die unehrenhafte Entlassung aus der Armee gedroht.

Shepherd beruft sich auf die sogenannte Qualifizierungsrichtlinie der Europäischen Union von 2004, die die Voraussetzung für den Schutz von Flüchtlingen festlegt. Demnach sind Deserteure zu schützen, wenn sie sich einem völkerrechtswidrigen Krieg entziehen und sie deswegen mit Verfolgung rechnen müssen.

Nach Auffassung von Gutachterin Eleanor Sharpston ist ein Antrag auf Asyl für Militärangehörige grundsätzlich möglich – und zwar auch, wenn sie – wie Shepherd – nicht zur kämpfenden Truppe gehören. Als Soldat war er für die Wartung von Apache-Kampfhubschraubern zuständig. Er argumentierte, damit hätte er zur Begehung von Völkerrechtsverletzungen beigetragen.

Asylgrund: Kriegsverbrechen

Der Gutachterin zufolge müssen die Behörden prüfen, ob ein Asylsuchender Gefahr läuft, Kriegsverbrechen zu verüben. Ein Nachweis, dass mit solchen Verbrechen zu rechnen ist, sei nicht nötig. Ob die internationale Gemeinschaft oder insbesondere die Vereinten Nationen den Einsatz genehmigt habe, spiele dabei keine Rolle.

Allerdings weist Sharpston darauf hin, dass eine Reihe von Fragen noch zu beantworten sei. So müssten die deutschen Behörden klären, ob es in den USA ein Verfahren für Kriegsdienstverweigerer gebe. Wenn Shepherd dadurch dem Irak-Einsatz hätte entgehen können, gebe es keinen Grund ihn als verfolgten Flüchtling anzuerkennen. Zudem müsse untersucht werden, ob jemand durch Strafverfahren oder unehrenhafte Entlassung aus dem Militär seines Heimatlandes diskriminiert würde.

Ein Urteil dürfte erst in einigen Monaten fallen. In den meisten Fällen halten sich die Richter an den Rat ihrer Gutachter. Wenn der EuGH einige grundlegende Fragen zum EU-Recht beantwortet hat, geht der Fall zurück an das Bayerische Verwaltungsgericht in München, das ihn endgültig entscheiden muss.

11 Nov 2014

LINKS

[1] http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2014-11/cp140147de.pdf
[2] http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&jur=C,T,F&num=C-472/13&td=ALL

TAGS

Deserteur
Kriegsverbrechen
Asyl
Europäischer Gerichtshof
EuGH
Asyl
Irakkrieg
Asylverfahren
EuGH
Asyl
Asyl
Asyl
Asyl

ARTIKEL ZUM THEMA

Urteil zur Klage von US-Deserteur: Kein Asyl für André Shepherd

Das Bayerische Verwaltungsgericht weist die Klage des früheren US-Soldaten ab. Er erhält weiter kein Asyl in Deutschland. Bleiben darf er trotzdem.

US-Deserteur kämpft um deutsches Asyl: Die Army schoss auf Zivilisten

André Shepherd desertierte, weil er an der moralischen Richtigkeit des Irakeinsatzes zweifelt. Vor einem Gericht in München kämpft er um Asyl.

Kommentar EuGH-Urteil zu US-Deserteur: Realitätsferne Richter

André Shepherd kehrte dem US-Militär den Rücken, suchte Asyl, wurde abgelehnt. Das EuGH urteilte nun nach einer Logik, die blanker Unsinn ist.

Asyl für US-Deserteur: Der Fall André Shepherd

Das Bundesamt für Migration lehnte 2011 Shepherds Asylantrag ab. Nach dem EuGH-Urteil ist nun das Verwaltungsgericht München am Zug.

EuGH-Urteil zum Fall Andre Shepherd: Kaum Chance auf Asyl

Der US-Deserteur hatte in Deutschland einen Antrag auf Asyl gestellt. Doch dieser wurde abgelehnt. Die Richter des EuGH prüften den Fall – und lassen ihm wenig Hoffnung.

Irakkriegs-Verweigerer vor dem EuGH: Wann bekommen Deserteure Asyl?

Er wollte nicht am Irakkrieg teilnehmen. Nun beschäftigt der Fall des in Deutschland lebenden US-Deserteurs André Shepherd den Europäischen Gerichtshof.

Panter-Preisträger vor EuGH: Deserteur und Preisträger

Als André Shepherd von Deutschland aus für die US-Armee in den Irak ziehen soll, taucht er unter. Bekommt er jetzt Asyl in Deutschland?

Asylantrag von US-Deserteur: Entscheidung in Luxemburg

Die Klage des US-Deserteurs André Shepherd geht an den Europäischen Gerichtshof. Der soll über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung seines Asylantrages beraten.