taz.de -- Die Streitfrage: „Trauer braucht öffentliche Orte“
In Bremen darf die Asche Verstorbener künftig auch im heimischen Garten verstreut werden. Kölns Erzbischof Woelki lehnt das ab.
Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki plädiert dafür, auch weiterhin Tote nur an öffentlich zugänglichen Orten zu bestatten. In einem Gastbeitrag für die taz.am wochenende schreibt Woelki: „Der Tod gehört zum Leben, und der Verstorbene ist Teil seiner Familie, der Gesellschaft, der Kirche. Er gehört nicht den Angehörigen allein, deshalb muss es einen öffentlichen Ort geben, an dem Menschen trauern und sich erinnern können.“
Als erstes Bundesland hatte Bremen kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das den in Deutschland üblichen Friedhofszwang lockert. In Bremen soll es ab Januar 2015 erlaubt sein, die Asche Verstorbener auf ausgewiesenen öffentlichen Plätzen und auf privaten Grundstücken zu verstreuen, wenn die Verstorbenen das zu Lebzeiten ausdrücklich gewünscht haben.
In der Debatte über diese Gesetzesänderung äußern sich vor allem Kirchenvertreter kritisch – so wie Erzbischof Woelki oder der Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, Ralf Meister. Meister sagte der taz.am wochenende, Friedhöfe seien „kulturell wertvolle Orte“, an denen Trauernde „die Endlichkeit ihrer Existenz“ verstehen; sie seien „Naherholungsgebiete der Seele, die die Vorstellung von Ewigkeit künstlerisch bewahren.“ Deshalb trete die Kirche für eine Kultur des öffentlichen Gedenkens ein.
Mitunter wird auch mit der Menschenwürde argumentiert, die über den Tod hinaus reiche, weshalb Tote quasi ewige Ruhe auf Friedhöfen finden sollten. Schauspieler David Scheller, der in der TV-Serie „Diese Kaminskis“ auf ZDFneo einen Bestatter spielt, kann mit diesem Argument wenig anfangen: „Wird denn die Totenruhe eingehalten, wenn ein Grab von der Friedhofsverwaltung ausgehoben wird, weil die Pacht nicht länger bezahlt wurde?“
Arno Gottschalk, der für die SPD in der Bremer Bürgerschaft sitzt und damit jener Regierungskoalition angehört, die den Friedhofszwang lockern will, begründet seine Zustimmung mit dem Wunsch des Einzelnen, was dereinst mit seinen sterblichen Überresten geschehen soll: „Was hat Vorrang? Dass der Einzelne über seinen Körper entscheiden kann, auch über den Tod hinaus? Oder dass Hinterbliebene mit dem Friedhof einen zugänglichen Ort zum Trauern haben? Die Koalition in Bremen fand für das neue Gesetz den Wunsch des Einzelnen entscheidend – wenn er ihn zu Lebzeiten selbst geäußert hat.“
Die Streitfrage der taz.am wochenende beantworten außerdem die Kinderbuchautorin Hermien Stellmacher, taz-Leserin Marisa Paramonow und Nadarajah Thiagarajah, Sprecher eines Berliner Hinduzentrums – in der taz.am wochenende vom 15./16. November 2014.
15 Nov 2014
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