taz.de -- G-20-Gipfel und Ukraine-Krise: Merkel warnt vor Flächenbrand
Putin gefährde die europäische Friedenspolitik, kritisierte die Kanzlerin am Rande des G-20-Gipfels. Russlands Staatschef verteidigte in der ARD seine Ukraine-Politik.
SYDNEY dpa/afp | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat überraschend deutlich vor einem großen Flächenbrand durch die Ukraine-Krise gewarnt. Die Kanzlerin nutzte während ihres Besuchs im australischen Sydney eine außenpolitische Rede für schärfste Kritik an Kremlchef Wladimir Putin, den sie am Rande des G-20-Gipfels in Brisbane unter vier Augen getroffen hatte.
In altem Denken sehe Russlands die Ukraine als seine Einflusssphäre und trete das internationale Recht mit Füßen, sagte sie vor mehreren hundert Zuhörern beim Lowy-Institut für internationale Politik, einem der renommiertesten sogenannten Think Tanks in Australien. „Das stellt nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage. Und es findet seine Fortsetzung in der russischen Einflussnahme zur Destabilisierung der Ostukraine.“
Sie wolle keine Wiederbelebung der DDR-Zeiten, als ohne Moskaus Zustimmung keinerlei Bewegung möglich gewesen sei, sagte Merkel. Das sei mit den westlichen Werten nicht zu vereinen. „Es geht ja nicht nur um die Ukraine. Es geht um Moldawien, es geht um Georgien, wenn es so weiter geht, kann man fragen, muss man bei Serbien fragen, muss man bei den Westbalkanstaaten fragen.“
Putin verweigere eine Konfliktlösung im gegenseitigen Respekt und mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln. Er setze auf das angebliche Recht des Stärkeren und missachte die Stärke des Rechts. Dennoch werde die Europäische Union nichts unversucht lassen, mit Russland zu einer diplomatischen Lösung zu kommen.
Putin-Interview in der ARD
Der russtische Präsident hatte in einem Fernsehinterview in der ARD-Sendung „Günther Jauch“ erneut seine Politik in der Ukraine-Krise verteidigt und die Rolle des Westens krisiert. In der Annektion der Krim sah er kein völkerrechtswidriges Vorgehen. Die russischen Soldaten hätten die auf der ukrainischen Halbinsel stationieren Streitkräfte lediglich blockiert, damit die dort lebenden Menschen unter militärischem Schutz per Volksabstimmung über ihre Zukunft entscheiden konnte.
Im Gegensatz zum Kosovo, wo die Unabhängigkeit nur durch Parlamentsbeschluss erklärt worden sei, habe es auf der Krim ein Referendum gegeben, bei dem sich eine überwältigende Mehrheit für die Aufnahme durch Russland ausgesprochen habe, sagte Putin in der ARD. In Fragen der Selbstbestimmung sei ein Volk, das auf einem bestimmten Territorium lebe, nicht verpflichtet, die Zentralregierung des Staates nach deren Meinung zu fragen. Desweiteren äußerte er sich besorgt, dass es in der Ukraine – „ein eigenständiger, unabhängiger, souveräner Staat“ – zu „ethnischen Säuberungen“ kommen könne.
Putin wieß außerdem darauf hin, dass Sanktionen gegen Russland auch für Deutschland ernste Folgen haben könnten. Der Ukraine-Konflikt war das dominierende Thema der Staats- und Regierungschefs beim G20-Gipfel in Australien.
Das Interview mit Wladimir Putin finden Sie bis zum 23. November 2014 [1][in der ARD-Mediathek.]
17 Nov 2014
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