taz.de -- Ceta und das Kleingedruckte: Die Macht der Konzerne

Gerechte Behandlung von Investitionen: Was fair klingt, bedeutet im Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada, dass die Politik sich selbst lahmlegt.
Bild: Protest gegen Ceta und TTIP in München mit dem berüchtigten Freihandelsabkommensymbol: dem Chlor-Hühnchen.

BERLIN taz | Zunächst geht es nur um Erkundungslizenzen, die die prinzipiell fracking-freundliche Regierung an einen ausländischen Konzern vergibt. Im Gespräch deutet sie aber an, dass eine Bohrlizenz nicht lange auf sich warten lassen werde, wenn die Tests erfolgreich sind. Dann kommen Proteste, kritische Gutachten. Die Regierung stoppt das Vorhaben – und sieht sich mit Forderungen in dreifacher Millionenhöhe konfrontiert, die der Konzern über ein privates Schiedsgericht eintreiben will.

So etwas könnte demnächst überall in der EU passieren, wenn ihr Freihandelsabkommen mit Kanada, Ceta, ratifiziert wird. Grundlage dafür ist die Klausel „Gerechte und billige Behandlung“ im Kapitel „Schutz für ausländische Investitionen“.

In der Studie „Verkaufte Demokratie“ ([1][Zusammenfassung als pdf]; die [2][komplette Studie ebenfalls als pdf]), die am Mittwoch von 15 europäischen und kanadischen Verbänden vorgestellt wird, bezeichnet Mitautorin Pia Eberhardt von Corporate Europe Observatory sie als den „gefährlichsten Standard“ im Vertrag.

Die Klausel gibt es in ähnlicher Ausführung schon in anderen Abkommen. Auf ihrer Grundlage verklagte etwa der spanische Konzern Tecmed bereits Ende der 1990er Jahre Mexiko. Tecmed hatte dort eine Müllkippe betrieben. Als die örtlichen Behörden in einer Resolution entschieden, den befristeten Vertrag nicht zu verlängern, verlangte Tecmed Schadenersatz und argumentierte, dass nicht absolut transparent gewesen sei, wer alles mitzureden hatte. Wie alle Investor-Staat-Klagen landete auch die Tecmed-Klage vor einem privaten Schiedsgericht - und das gab dem Konzern Recht.

„Die Formulierung, wie sie in Ceta steht, kann so gedeutet werden, dass Investoren Recht auf einen stabilen regulatorischen Rahmen haben“, so Eberhardt. Das hieße, dass Regierungen in ihrer politischen Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt würden. Neue Regulierungen könnten teuer werden – oder sie würden in vorauseilendem Gehorsam gar nicht erst oder nur abgeschwächt verabschiedet.

Denn tatsächlich ist das Risiko von Klagen groß, zumal sich bereits eine internationale Kanzleiszene aufgestellt hat, die entsprechende Fälle übernehmen und die Unternehmen beraten. Die europäischen Länder müssen sich vor allem auf Schwierigkeiten mit Unternehmen aus dem Bergbau-, Öl- und Gassektor einstellen. Die Branche ist für ihre Klagewut bekannt. Sie zeichnet für jede dritte Investor-Staat-Klage verantwortlich.

Potenzielle Kläger stehen schon Schlange

Und wer aktiv werden könnte, ist auch schon absehbar: Der Rohstoffkonzern Gabriel Resources, der eine umstrittene Goldmine in Rumänien betreibt. Das Bergbauunternehmen Edgewaters, dem die galizische Regierung nach Protesten von Umweltschützern kürzlich bereits zeitweise einen Tagebau dicht machte. Der Goldminenbetreiber Eldorado Gold, der in Halkidiki im Norden Griechenlands schürfen will.Kanada dagegen muss vor allem die europäischen Banken fürchten.

Denn der Finanzsektor soll mit Ceta mehr Möglichkeiten bekommen. Bei früheren Abkommen ist nur geregelt, dass er bei Enteignungen klagen darf oder wenn der freie Kapitalverkehr eingeschränkt wird. Der vorliegende Text würde Banken und Hedgefonds jedoch auch erlauben, Finanzinstrumente als Investitionen zu deklarieren, selbst wenn es nur um kurzfristige spekulative Anlagen oder auch Staatsanleihen geht.

Klar, dass die Autorinnen der Studie ein vernichtendes Fazit ziehen: Ceta markiere einen „Scheidepunkt des Investitionsrechts“, schreiben sie. Dabei gebe es Alternativen: So kämen die USA und Japan sowie Japan und Australien in ihrenFreihandelsabkommen ohne die umstrittenen Investor-Staat-Klagen aus. Andere Länder wie Südafrika hätten ihre nationale Gesetzgebung, die von den Konzernen als zu wenig sicher angesehen worden war, an westliche Standards angepasst. Und für Investoren gebe es private und öffentliche Risikoversicherungen.

Ob es noch zu Nachverhandlungen kommen kann, ist offen. Derzeit hinkt Ceta dem Fahrplan hinterher, weil der Text für alle Mitgliedsländer übersetzt werden muss, was mindestens bis zum Sommer dauern soll. Und noch immer ist nicht geklärt, ob auch die nationalen Parlamente zustimmen müssen.

19 Nov 2014

LINKS

[1] http://corporateeurope.org/sites/default/files/ceta-isds_de-executivesummary.pdf
[2] http://corporateeurope.org/sites/default/files/verkaufte-demokratie.pdf

AUTOREN

Beate Willms

TAGS

CETA
Freihandel
Investitionsschutz
EU
Kanada
Mexiko
Schwerpunkt TTIP
EU-Kommission
Schwerpunkt TTIP
Verbraucherschutz
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt Klimawandel

ARTIKEL ZUM THEMA

SPD im Europäischen Parlament: Gegen den Investorenschutz

Umstrittene Schiedsgerichte sind überflüssig, sagt der Handelsausschuss-Vorsitzende Lange. Und widerspricht damit SPD-Chef Gabriel.

Streit um Ceta in der SPD: Besuch von der EU-Kommissarin

Die SPD diskutiert weiter über das Abkommen und Sigmar Gabriels Ankündigung, Ceta auf jeden Fall zuzustimmen. Jetzt wird die Debatte ein Fall für die EU.

Freihandelsabkommen mit Kanada: Gabriel knickt ein

Der Wirtschaftsminister will beim Ceta-Abkommen den umstrittenen privaten Schiedsgerichten zustimmen – trotz anderslautender Parteibeschlüsse.

Ärger um Geldanlagen: LBS Bayern kündigt Altverträge

Die Bausparkasse will 26.000 Altverträge loswerden, weil ihr die Zinsen zu hoch sind. Verbraucherschützer erwarten eine Klagewelle.

Falsche Freihandels-Versprechungen: TTIP kann zum Jobfresser werden

Jede Menge neue Arbeitsplätze solle das Freihandelsabkommen von EU und USA bringen, hieß es bislang. US-Forscher sagen etwas anderes.

Freihandelsabkommen Ceta: Gabriel hält Einigung für möglich

Der Wirtschaftsminister rückt vom Nein zum umstrittenen Investitionsschutz ab. Im September befand die SPD noch, ein solcher sei „abzulehnen“.

Gutachten zu Freihandelsabkommen: Völkerrechtler gegen TTIP und Ceta

Die Freihandelsabkommen der EU verstoßen gegen das Grundgesetz. Zu diesem Ergebnis kommt ein von Attac in Auftrag gegebenes Gutachten.

Klagen gegen Ceta und TTIP: Weckruf für das Verfassungsgericht

Schon 231 Bürger haben Verfassungsbeschwerde gegen die geplanten Freihandelsabkommen eingereicht. Für „Mehr Demokratie“ sind die Klagen „verfrüht“.

Widerstand gegen Freihandelsabkommen: DGB-Linie gilt in Hamburg nicht

Ein Netzwerk aus Verbraucher-, Sozial-, Juristen- und Umweltverbänden macht gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA, TiSA mobil. In Hamburg ist auch der DGB dabei.

Initiative gegen Freihandelsabkommen: Der Druck wächst

Die Beteiligung an der Onlinekampagne gegen TTIP und Ceta übertrifft alle Erwartungen. Trotzdem gibt es Streit unter den Kritikern.

EU-Kommission stimmt für Teersandöl: Bahn frei für Klimakiller

Konzerne sind nicht für den Import von klimaschädlichem Teersandöl haftbar, sagt die EU-Kommission. Jetzt müssen Rat und Parlament entscheiden.