taz.de -- Breitband-Ausbau in Deutschland: Unterschiede werden größer

Beim schnellen Internet hinkt Deutschland hinterher. Ob eine neue Kooperation zwischen Staat und Wirtschaft das ändern kann?
Bild: Keineswegs überall selbstverständlich: schneller DSL-Anschluss.

BERLIN taz | Breitband-Internet für alle Haushalte – das ist das Ziel der Bundesregierung. Doch Analysten sehen derzeit einen gegenteiligen Trend: „Die Kluft zwischen Stadt und Land wird bei der Breitbandversorgung größer werden“, sagte Andreas Gentner von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte bei der Vorstellung der Prognosen für das Jahr 2015.

So stagniere die Ausbausituation in ländlichen Regionen auf niedrigem Niveau. Darüber hinaus würden neue, schnelle Technologien bevorzugt in den Städten installiert, was die Unterschiede bei den verfügbaren Anbindungen weiter vergrößere.

Die Bundesregierung hatte im Oktober angekündigt, dass bis zum Jahr 2018 alle Haushalte mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Megabit pro Sekunde versorgt sein sollen. Die Kosten für einen Ausbau auf 100 Prozent sollen laut einer Vereinbarung zwischen Infrastrukturministerium und Telekommunikationsanbietern aufgeteilt werden. Noch sind laut einem Bericht des TÜV Rheinland Verbindungen etwa per Kabel oder Glasfaser mit mindestens 50 Megabit für etwas mehr als 60 Prozent der Haushalte verfügbar.

Laut der Deloitte-Studie sind Landbewohner doppelt benachteiligt. Zur geringen Bandbreite komme ein schlechteres Preis-Leistungs-Verhältnis. So koste die Übertragung von einem Megabit bei einem typischen in der Stadt angebotenen Tarif etwa 21 Cent. Auf dem Land würden für die gleiche Leistung bei einem typischen Vertrag 6 Euro fällig.

Das Argument der Telekommunikationsanbieter, die Kunden seien nicht bereit, höhere Preise zu zahlen, hält Gentner für falsch. Einer unternehmenseigenen Umfrage zufolge sei die Zahl derer, die angeben, für schnelles Internet zusätzlich zu zahlen, von 2011 auf 2014 um mehr als 10 Prozentpunkte auf 38 Prozent gestiegen. Allein: Die Kunden erwarten dann auch eine entsprechende Leistung. Und nicht nur ein Update von analoger auf ISDN-Geschwindigkeit.

Oettinger für Knebel-Verträge

Das nächste Treffen der von Infrastrukturminister Alexander Dobrindt (CSU) ins Leben gerufenen Netzallianz, der unter anderem Telekommunikationsunternehmen und -verbände angehören, ist für den heutigen Mittwoch angesetzt. Mit dabei ist auch EU-Kommissar Günther Oettinger. Der hatte zuletzt mit einer wenig verbraucherfreundlichen Idee Schlagzeilen gemacht: Nutzer sollten demnach für einen gewissen Zeitraum ihren Anbieter nicht wechseln dürfen, um diesem Planungssicherheit zu bieten.

14 Jan 2015

AUTOREN

Svenja Bergt

TAGS

Günther Oettinger
Alexander Dobrindt
Internet
DSL
Breitbandausbau
Internet
Datenschutz
Internet
Estland
Ungarn
Breitbandausbau
Ostfriesland
Internet

ARTIKEL ZUM THEMA

Unternehmer auf dem Land: Gefangen im dunkelblauen Funkloch

Schon das Versenden einer E-Mail kann eine Stunde dauern. Für Unternehmen heißt das: Wegziehen. Oder Notlösungen finden.

Debatte Internet auf dem Lande: Showdown am Verteilerkasten

Die Internetversorgung auf dem Land ist desaströs. Die Privatanbieter kümmern Beschwerden wenig: Sie lassen diese in Hotline-Warteschleifen verenden.

Internet der kurzen Wege: Andocken am Datenknotenpunkt

Telekom-Mails sollen künftig über Frankfurt laufen und Umwege über die USA vermeiden. Das soll Überwachung erschweren. Aber hilft es tatsächlich?

Kommentar Netzneutralität: Da hilft nur ein Gesetz

Der Breitbandausbau muss und wird kommen. Die Provider wollen trotzdem kassieren. Echte Netzneutralität kann daher nur gesetzlich gesichert werden.

E-Staatsbürgerschaft in Estland: Die Esten exportieren sich selbst

Seit 15 Jahren besitzt Estland eine einzigartige virtuelle Infrastruktur. Ab Dezember kann jeder darauf zugreifen, man muss nur E-Este werden.

Protest gegen Internet-Maut in Ungarn: „Wir wollen eine ehrliche Regierung“

Der ungarische Aktivist Zsolt Varády über fehlende Transparenz, Korruption und den möglichen Anfang einer neuen Oppositionsbewegung.

Vom Netz abgeschnitten: Kein Breitband für alle

In Mecklenburg-Vorpommern wird gerade ein Glasfaserkabel für schnellen Internetzugang verlegt. Anliegende Haushalte werden aber nicht angeschlossen.

Ohne Internet: 350 Ostfriesen offline

Wegen angeblicher Zahlungsrückstände will der Telefonanbieter EWE Tel dem Provider Frieslandnet die Leitungen kappen. Hunderte verlören so ihr Netz.

Breitbandausbau in Deutschland: Milliarden für schnelles Internet

Politik und Wirtschaft wollen endlich den Breitbandausbau angehen und ihn gemeinsam finanzieren. Doch die Kosten sind nach oben offen.