taz.de -- Staatssekretärin wird Chef-Lobbyistin: Reich, reicher, Reiche

Für den Lobbyverband VKU ist Katherina Reiche eine sehr gute Wahl. Eigentlich. Denn die CDU-Politikerin setzte sich in der Vergangenheit auch für Atomkraft ein.
Bild: Atomkraftwerke, Embryonenforschung, Agrogentechnik: Dafür war die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche immer zu haben.

BERLIN taz | Wenn Kommunikationsprofis in Krisenzeiten keine Sätze auf dem Sprechzettel stehen haben, dann heißt das in der Regel, dass die Lage nicht ganz unter Kontrolle ist. Und siehe: Bei Katherina Reiche im Büro will niemand auch nur irgendetwas sagen. Auch beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU) gibt es offiziell nicht viel zu erfahren. Seit bekannt geworden ist, dass die Brandenburger CDU-Politikerin am Mittwoch bei dem Verband zur Hauptgeschäftsführerin – ergo: Chef-Lobbyistin – gewählt werden soll, stehen beide in der Schusslinie.

Als ehemalige Staatssekretärin im Umweltministerium und derzeitige Staatssekretärin im Verkehrsministerium verfügt Reiche nicht nur über beste Kontakte ins Berliner Regierungslager, sondern auch nach Brüssel, wo wesentliche Entscheidungen getroffen werden, die für die Energieversorger, Abfallunternehmen und Stadtreinigungen äußerst relevant sind.

Und wer genau hinsieht, stellt fest: Der Vorstand des Lobbyverbandes zählt ganze 65 Männernamen. Als Hauptgeschäftsführerin des Verbandes wäre Reiche die erste und einzige Führungsfrau in dem Herrenladen. Noch ein Plus für Reiche: Aus Gründen des Parteiproporzes sei der Sitz diesmal mit einem CDU-Mitglied zu besetzen gewesen, heißt es aus Reihen des Präsidiums.

Für den Verband, in dem 1.430 kommunale Versorgungs- und Entsorgungsunternehmen organisiert sind, ist Reiche also ein guter Fang. Dass sie in der Vergangenheit auch mit homophoben Ausfällen für Schlagzeilen sorgte, muss in der Entsorgungswirtschaft ja nicht zwingend interessieren.

Nur ein „Durchläufer“

Gewählt werden muss Reiche am Mittwoch vom Vorstand des Verbandes. Zwar gehen Gremienmitglieder wie Helmut Preuße, der für die Stadtwerke Schwedt im Vorstand sitzt, davon aus, dass die Wahl reibungslos verläuft („Das wird ein Durchläufer“).

In anderen Teilen herrscht aber durchaus auch Unmut über das fehlende Fingerspitzengefühl des Verbandspräsidenten Ivo Gönner, der die Wahl vorbereitete. Aus Reihen der Energieversorger, für die die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende wichtig ist, wird etwa auf Reiches stetes Bekenntnis zur Atomenergie verwiesen.

Und dann ist da natürlich die leidige Imagefrage: Sollen ausgerechnet die kommunalen Unternehmen als das letzte schlechte Beispiel in die Geschichte eingehen, ehe die Unsitte ihr Ende finden könnte, dass sich Politiker für ihre guten Regierungskontakte bezahlen lassen? Hm. Auf dem Sprechzettel steht nichts.

3 Feb 2015

AUTOREN

Martin Kaul

TAGS

Lobbyismus
Staatssekretärin
Einflussnahme
Bundestag

ARTIKEL ZUM THEMA

Kommentar Karenzzeit für Politiker: Ausstieg muss möglich sein

Politiker brauchen Exit-Optionen aus der Politik. Zu lange Karenzzeiten für ihre Weiterverwendung in der Industrie verbauen sie.

Karenzzeit für Politiker: Zeit für den Übergang

Die Bundesregierung will Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft erschweren – aber nicht für alle. Das letzte Wort darüber hat das Kabinett.

Kolumne Back on the Scene: Ein Fall für politische Tortung

Katharina Reiche (CDU) sieht in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften eine Bedrohung für den deutschen Wohlstand. Kaffeekränzchen, sofort!

Debatte über den Atomausstieg: „Kreuzzug gegen die Solarenergie“

Die Opposition wirft der Regierung beim Erneuerbare-Energien-Gesetz Inkonsequenz im Hinblick auf den Atomausstieg vor. Greenpeace protestiert mit einer Lichtinstallation.

Wahlkampfthema Atomkraft: CDU probt den leisen Ausstieg

Die Christdemokraten halten an der "Öko-Energie" Atomkraft fest und könnte damit ein Problem bekommen - nach diversen Störfällen in Krümmel mitten im Wahlkampf.

Politiker fordern Lockerung: Eile beim neuen Stammzellgesetz

Abgeordnete von Union, SPD, FDP und der Linken wollen die embryonale Stammzellforschung freigeben. Am Donnerstag diskutiert der Bundestag. Im März soll das Gesetz fertig sein.