taz.de -- Kolumne Ich meld' mich: Von der christlichen Seefahrt

Kraken wollten wir fischen. Doch das Wetter spielte nicht mit. Auch meinte der Kapitän, jemand, der Franziskos heißt, sollte besser an Land bleiben.
Bild: Es gibt Tage, da sollte man lieber nicht aufs Meer fahren.

Allmählich fand ich ihn penetrant. Dieses Gerede von Jesus und der Bibel und der wunderbaren Schöpfung Gottes. Schließlich war ich nicht mitgekommen, um missioniert zu werden, sondern um Kraken zu fischen. Dazu hatte er mich eingeladen, Petros, der alte Mann, der vor langer, langer Zeit bei Daimler in Untertürkheim gearbeitet hatte.

Eine halbe Stunde fuhren wir schon rund um die griechische Insel Aigina, und immer wieder hob er von Neuem an, von allen Heiligen, der göttlichen Vorsehung und der Notwendigkeit, Gutes zu tun.

Endlich stoppte er die Maschine und ließ die Angelschnur hinunter zum Meeresboden. Das Boot tanzte. Wind kam auf. Und plötzlich trugen die Wellen weiße Krönchen.

Bedenklich schüttelte der Alte den Kopf, schnalzte unzufrieden und holte schließlich entschlossen die Schnur wieder ein. Ganz ohne Fang. Ich solle jetzt besser unter Deck gehen, schlug er vor.

„Unter Deck“ hieß, dass ich mich in einen kleinen, überdachten Verschlag zwängte, direkt neben den Diesel. Petros warf den Motor an und drehte ab, zurück. Regen setzte ein, das Boot stampfte durch die heftiger werdenden Wellen. Der Diesel tuckerte und schwitzte Gerüche aus. Es stank, es war heiß und es schaukelte heftig.

Mir wurde übel – seekrank, zum ersten Mal im Leben. Wie ein malträtierter Boxer hing ich im Verlies und brachte nicht mehr den Willen auf, mich aufzurappeln, hinauf an die frische Luft.

Die Rückfahrt schien Äonen zu dauern. Ich kämpfte dumpf gegen meinen Brechreiz. Petros hielt Kurs und rief ab und zu etwas Aufmunterndes zu mir herunter. „Jesus“ kam darin vor. Mehr verstand ich nicht.

Endlich liefen wir im Hafen ein. Taumelnd zog ich mich hoch. Der Alte machte das Boot fest und sah mich nachdenklich an. „Petros war Fischer“, überlegte er. „Der heilige Franziskos aber – der kennt sich doch eher auf dem Festland aus, bei Tauben, Hirschen und Regenwürmern.“

Und mit einem mitleidigen Grinsen schloss er: „Vielleicht sollte jemand, der Franziskos heißt, besser auf dem Trockenen bleiben.“

9 Feb 2015

AUTOREN

Franz Lerchenmüller

TAGS

Griechenland
Reiseland Griechenland
Muezzin
Schwarzwald
Lufthansa
Berlin
deutsch
Zeitung
Zug
Whisky / Whiskey

ARTIKEL ZUM THEMA

Kolumne Ich meld' mich: Tief Luft holen, volle Kraft voraus

Zwei, drei Lieder sollten Weltenbummeler schon draufhaben. Nicht selten wird man im Ausland gebeten, ein Lied aus der Heimat vorzutragen.

Kolumne Ich meld' mich: Ein arabischer (Alb-)Traum

Sanaa, die Hauptstadt des Jemens, war schon immer eine Reise wert. Ein arabisches Gesamtkunstwerk. Was nur wird nach dem Bombenkrieg übrigblieben?

Kolumne Ich meld' mich: Dichterreise durchs Naziland

Die Nazis luden zur Imagekampagne, 14 Schriftsteller aus Europa folgten. Reisebücher darüber finden sich noch heute in Bibliotheken.

Kolumne Ich meld mich: Cocktail an Bord mit Ursula Andress

Damals – als Stewardessen noch nicht Saftschubsen genannt wurden, Messer aus Cromargan waren und statt Meilen Löffel gesammelt wurden.

Kolumne Ich meld' mich: In Berlin gibt's die beste aller Welten

Meeresstrand und Wüstendünen, wo bekommt man das schon zugleich? In wenigen Tagen eröffnet die „Die-Welt-ist-toll-Show“ in Berlin.

Kolumne Ich meld' mich: So schön gemischt germanisch

Beim Spaziergang durch Nürnberg, die deutscheste aller deutschen Sädte, sticht die Unterwanderung überall ins Auge. Gott sei Dank!

Kolumne Ich meld' mich: Ignoranz im Indischen Ozean

Markuslanzclaudiarothgüntergrass – nichts davon steht in „Colombos Daily Mirror“. Die Erschütterung der Lesegewohnheiten beim Reisen.

Kolumne Ich meld' mich: Universität auf rollenden Rädern

Wie heißt es so schön zutreffend? Reisen bildet. Und das trifft ganz besonders auch auf Reisen im Großraumwagen der Bahn zu.

Kolumne Ich meld' mich: Rostbraten mit Schinken und Setzei

Einst gab es bordeauxrote Polstersessel, rot bespannte Tischleuchten und rote Papierservietten und es wurde viel geredet und getrunken.

Kolumne Ich meld' mich: Nicht so sein Tag

In einer der rauesten und abgelegensten Gegenden Europas, in Islands Westfjorden, wärmt ein guter Whisky mehr als alles andere.