taz.de -- Kommentar Ende der Montagsmärsche: Das Erbe von Pegida pflegen
Die offene pluralistische Gesellschaft hat Pegida nicht nur verkraftet, sondern ist durch sie sogar gestärkt worden. Es wäre ein Erfolg, wenn das so bliebe.
Erst hochgeschrieben, jetzt abgeschrieben: Pegida hat sich totgelaufen. Wer’s glaubt! Nur weil sich die Kleinbürger montags hinter Maschendrahtzäune zurückziehen und wieder in die Hauspuschen schlüpfen, entsorgen sie ihre Ressentiments gegen Minderheiten, Politik und Medien ja nicht zusammen mit ihren Transparenten in den Müll.
Pegida war ein weiterer Tiefpunkt einer von Zorn, Frust und Ohnmacht gespeisten Bewegung, die 2014 Hooligans und rechte Parteien zusammenbrachte und die rechtspopulistische Alternative für Deutschland ins Europaparlament und in drei Landtage spülte. In Hamburg liegt die AfD in Umfragen derzeit bei 5 Prozent und könnte am Sonntag erstmals in die Bürgerschaft einziehen – dass die FDP sich zehntelprozentweise nach oben schraubt und an der AfD vorbeizieht, löst fast schon Glücksgefühle aus.
Denn die Freien Demokraten sind zwar bekennende Marktliberale – aber keine verkappten Ausländerfeinde. Das wirtschaftsliberale Profil der Alternative für Deutschland tritt dagegen zunehmend in den Hintergrund. Profilierte sich die AfD zunächst mit der Kritik an weiteren Hilfspaketen, speziell nach Griechenland, setzte die Partei dann regional auf Themen wie Grenzkriminalität und Asylmissbrauch.
„Wir gegen die anderen“, lautet der Subtext. „Wir sind das Volk“, rufen Pegida-Anhänger in Dresden – nur einen Zungenschlag entfernt von „Volksgemeinschaft“, indem sie eine angebliche islamistische Gefahr von außen beschwören und sich ihrer christlich-jüdischen Leitkultur versichern. Ein Teil von ihnen wird in der AfD eine politische Heimat finden.
Doch so ärgerlich die montäglichen Märsche waren und sind – sie sorgten immerhin dafür, dass sich mehrere Zehntausend Menschen zu Gegendemonstrationen versammelten und sich mit jenen solidarisierten, gegen die Pegida und Ableger hetzten.
Die offene pluralistische Gesellschaft, von Pegida so verachtet, hat Pegida nicht nur verkraftet, sondern sie ist durch Pegida sogar gestärkt worden. Es wäre ein wirklicher Erfolg, wenn dieses Erbe von Pegida über das Ende der Montagsmärsche hinaus bliebe. Denn Ausländerfeindlichkeit verschwindet nicht einfach, und es werden weiterhin Menschen nach Deutschland kommen, die Mitgefühl und Unterstützung brauchen.
10 Feb 2015
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Nach dem Brandanschlag von Tröglitz stellt sich die Frage, ob Flüchtlinge und Asylbewerber auf dem Land noch sicher sind.
AfD-Kreischefs luden zum „Alternativen Wissenskongress“. Es kamen die Verbreiter krudester Thesen: Jürgen Elsässer, Andreas Popp, Eberhard Hamer.
Das mögliche Ende der Pegida-Bewegung bedeutet noch längst nicht das Ende der stärker werdenden rechten Bewegung in Deutschland.
Die „Lügenpresse“-Propagandisten von Pegida wollen nicht erzählt werden, sondern Erzählung sein. Sie entziehen sich dem demokratisches Diskurs.
Dresden gedenkt der Bombardierung vor 70 Jahren mit einer nicht unumstrittenen Menschenkette. Die Linke kritisiert Gauck als Redner in der Frauenkirche.
Die AfD könnte erstmals in ein westdeutsches Parlament einziehen. Ihr Chef gibt sich moderat, andere Kandidaten sind alte Bekannte.
Lutz Bachmann ist zurück, Anastasia aus Russland ist auch da – und die Patrioten sind schlecht präpariert. Pegida schrumpft auf 2.000 Teilnehmer.
150 Mal wurden laut Medienberichten im vergangenen Jahr Flüchtlingsheime in Deutschland angegriffen. 2012 waren es nur 24 Angriffe.
Mit 1.000 Polizisten ließe sich keine Demo absichern, sagt Leipzigs Oberbürgermeister Jung. Bis zum Nachmittag ist Legida nicht gegen das Verbot vorgegangen.