taz.de -- Kommentar Deutsche Einheit: Nach 25 Jahren immer noch neu
Die Treuhand ist eine der Ursachen fürs Nichtankommen der Ostdeutschen im Westen. Das sagt nun die Beauftragte für die neuen Bundesländer.
Schon der Name ist eine Zumutung. „Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer“ steht auf der Visitenkarte der SPD-Bundestagsabgeordneten Iris Gleicke. Der umständliche Titel suggeriert: Hier handelt es sich um eine Art Botin des Königs, die sich um problematische Untertanen kümmern soll. Schließlich – es sind ja erst 25 Jahre vergangen – sind die noch „neu“.
So ärgerlich und im Grunde diffamierend diese Tätigkeitsbeschreibung ist, so überraschend ist, dass die aktuelle Botin den ihr zugedachten Dienst verweigert. Iris Gleicke, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, redet Klartext.
Die Treuhand sei eine der wesentlichen Ursachen für das Nichtankommen der Ostdeutschen im Westen. „Es wurde nicht entwickelt, sondern abgewickelt“, sagt sie und dass sie nicht bereit sei, den Aufbau Ost als reine Erfolgsgeschichte zu verkaufen. Das sind ganz neue Töne.
Die bundeseigene Treuhandanstalt sollte die volkseigenen Betriebe der aushauchenden DDR privatisieren oder sanieren. Viele westdeutsche Unternehmer nutzten die Chance: Sie kauften ihre eigene Konkurrenz auf und ließen sich die feindliche Übernahme noch durch Steuergelder versilbern. Das Humankapital durfte noch eine Schamfrist lang bleiben. Oder es wurde gleich zum Arbeitsamt geschickt, das in den folgenden Jahren mancherorts der größte Arbeitgeber wurde. Viele Ostdeutsche haben das nicht gut verkraftet.
Im Grunde aber hätten sie wissen, zumindest ahnen können, was mit der Wirtschafts- und Währungsunion 1990 auf sie zukommen könnte. Marxismus-Leninismus war Pflichtunterricht in der DDR; es hätte sich gelohnt, beim Thema Politische Ökonomie aufmerksam zuzuhören. Doch selbst wenn die Ostler aufgepasst hätten – gefragt hat sie letztlich eh keiner.
18 Feb 2015
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