taz.de -- Kommentar Gewalt im Jemen: Tödliches „Jeder gegen jeden“

Islamisten schüren den Glaubenskrieg, die Gewalt im Jemen nimmt immer weiter zu. Das Land droht zu zerfallen. Und der Westen ist ratlos.
Bild: 22.3.1015: Studentinnen demonstrieren in Sanaa gegen den Terrorismus

Wie weit muss ein Staat noch zerfallen, bevor er endgültig als „failed state“ gilt? In keinem Land scheint diese Frage berechtigter zu sein als im Jemen. Nicht wegen der Terroranschläge auf zwei Moscheen in der Hauptstadt, sondern weil angesichts des täglichen „Jeder gegen jeden“ vom staatlichen Gerüst des Landes praktisch nichts mehr geblieben zu sein scheint.

Seit Monaten bereits kontrollieren die schiitischen Huthi-Rebellen Sanaa, der von ihnen entmachtete Präsident Hadi versucht, aus dem südjemenitischen Aden seine Rückkehr vorzubereiten, und gerät dabei ins Schussfeld seines Vorgängers Saleh, der heute die Huthi unterstützt, die er zuvor bekämpft hatte. Dieser Machtkampf ermutigt nun die im Jemen besonders starke „al-Qaida der Arabischen Halbinsel“, sich auch wieder einzumischen.

Wobei bisher unklar ist, ob die Angriffe auf die Moschee auf ihr Konto gehen oder ob der Islamische Staat dabei ist, im Jemen Fuß zu fassen. Obwohl al-Qaida und IS einander in Syrien bekämpfen, könnten sie anderswo – in Nigeria, Tunesien, Libyen und Jemen – versucht sein, ihre ideologischen Gemeinsamkeiten hervorzuheben, um – wie al-Qaida es nach dem 11. September tat – sich als „Weltmacht im Werden“ zu präsentieren.

Zu diesen Gemeinsamkeiten gehört die hasserfüllte Ablehnung der schiitischen Muslime, die von beiden als Ketzer und Gottlose bekämpft werden. Das wiederum ist Anlass für die Staaten der Region, ihre ähnlich begründeten Animositäten in entsprechende Politik umzumünzen: So unterstützt der Iran die Huthi, während die Saudis die etwa 40 Prozent Schiiten im Jemen als „fünfte Kolonne“ des Iran betrachten. Und der Westen ist ratlos: Die Lage ist derart konfus, dass keiner mehr keinem traut und der Niedergang des Jemen immer unaufhaltsamer wird.

23 Mar 2015

AUTOREN

Peter Philipp

TAGS

Jemen
Islamismus
Huthi-Rebellen
„Islamischer Staat“ (IS)
al-Qaida
Saudi-Arabien
Saudi-Arabien
Saudi-Arabien
Saudi-Arabien
Jemen
Jemen
Jemen
Jemen
„Islamischer Staat“ (IS)

ARTIKEL ZUM THEMA

Luftangriffe auf Huthi-Rebellen: Golfstaaten bombardieren Jemen

Die Huthis im Jemen kontrollieren immer mehr Gebiete. Saudi-Arabien und Bündnisländer wollen den Vormarsch nun mit militärischen Mitteln stoppen.

Analyse der Lage im Jemen: Iran und Saudi-Arabien vor der Tür

Keine der militärischen Parteien im Jemen scheint stark genug, es droht ein langer Bürgerkrieg – oder gar eine Regionalisierung des Konflikts.

Huthi-Rebellen im Jemen: Regierungschef auf der Flucht

Der Präsident flieht vor den Rebellen an einen geheimen Ort. Die Huthi setzen ein Kopfgeld von 100.000 Dollar auf ihn aus und nehmen den Verteidigungsminister fest.

Vormarsch der Huthi-Rebellen: Jemen wünscht militärische Hilfe

Präsident Mansur bittet die UN um die Errichtung einer Flugverbotszone. Saudi-Arabien kündigte „notwendige Maßnahmen“ an, falls der Umsturz nicht friedlich ende.

Kampf um die Macht im Jemen: Rebellen sind auf dem Vormarsch

Die Huthis rücken gegen Aden vor, wohin sich Präsident Hadi geflüchtet hat. Der ruft den UN-Sicherheitsrat an, während die USA ihr letztes Militärkontingent abziehen.

Terroranschläge im Jemen: 137 Tote, 357 Verletzte

Gewalt bestimmen das Leben der Jemeniten seit langem. Mit Anschlägen gegen die Huthi-Rebellen tritt angeblich nun erstmals der IS in den Machtkampf ein.

Jemens Staatschef widerruft Rücktritt: Kampfansage an Rebellen

Bisher kannte man ihn zurückhaltend und passiv. Nach seinem erzwungenen Rücktritt erwarteten viele Resignation, ja Flucht. Aber Präsident Hadi will aufgeben.

Konflikt um Huthi-Rebellen: Jemen droht Spaltung

Im Südjemen sammeln sich die Kräfte gegen die Machtübernahme der Huthi im Norden. Präsident Hadi ist aus deren Gewahrsam nach Aden geflohen.

IS konkurriert mit al-Qaida: Dschihad's next Top-Terrorist

Unter den Dschihadisten tobt ein Konkurrenzkampf. IS und al-Qaida brauchen „prestigeträchtige“ Terrorziele, um sich zu profilieren.